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Jane Eyre (2011)

Als ich vor einigen Wochen über den Kostümfilm-Schmacht-Klassiker "Zimmer mit Aussicht" schrieb, haltte mir (im Grunde berechtigte) Kritik entgegen, da ich bereits vorab erwähnte, dass ich mich für das Genre des Kostümdramas einfach nicht erwärmen kann, mir daher sogar zumeist bessere Werke einfach nicht gefallen. Trotzdem will ich gerade diesem Genre stets gerne eine Chance geben, denn was für ein wundervoller Treffer wäre es denn, wenn mich plötzlich auch einer dieser Filme bezaubern würde, weswegen ich versuche, auch größere Werke dieser Sparte zu sehen. So konnte ich mir auch die 2011-Version des Klassikers "Jane Eyre" nicht entgehen lassen, konnte mich jedoch kaum dafür erwärmen...

JANE EYRE


Die junge Jane Eyre (Mia Wasikowska) flieht aus einem strengen Mädcheninternat und kommt in Thornfield unter, wo sie eine Arbeitsstelle als Gouvernante annimmt und der betagten Hausherrin Mrs. Fairfax (Judi Dench) hilft, die Gemäuer in Schuss zu halten. Mrs. Fairfax bringt das Haus für den Besuch von Edward Fairfax Rochester (Michael Fassbender) auf Vordermann, denn dieser ist für seine trüblichen Launen bekannt. Jane begegnet ihm zufällig während eines Botengangs und Edward scheint schnell von der Dame bezaubert zu sein. In den nächsten Monaten werden sie von ihren Gefühlen überflügelt und Jane muss lernen, dass sie der Liebe, und sei sie auch noch so standhaft und stark, nicht einfach trauen darf...

Natürlich ist Mia Wasikowska so etwas wie die Idealbesetzung für die Titelrolle. Das verträumte, stets etwas jünger wirkende Fräulein, fast wie aus einer anderen Welt, eine Außenseiterin, ein wenig verkopft und dennoch romantisch angehaucht... das sie das spielen kann und genau das auch noch lange ihr bevorzugter Rollentypus sein wird, bewies sie schon mehrfach in Werken wie "Stoker" oder Tim Burtons Version von "Alice im Wunderland". Auch "Jane Eyre" macht darin keine Ausnahme und Wasikowska verleiht ihr dabei genau das richtige Maß aus strahlendem Selbstbewusstsein, kecker Cleverness und verschüchterter Überforderung, ohne dabei zu überziehen. Ganz im Gegenteil, sie legt ihre Rolle ruhig und nachdenklich an, was es dem Zuschauer sehr leicht macht, mit ihr zu fühlen. 
Generell widmet sich Cary Fukanaga, der einst für den Regieposten des "ES"-Remakes ausgewählt worden war, bevor er sich wegen kreativer Differenzen mit dem Studio verkrachte und schließlich für "Mama"-Regisseur Andres Muschietti Platz machte, sehr dem Innenleben seiner Charaktere, achtet auf kleine Gesten und lange Blicke. Das ist sicherlich nicht kurzweilig, gerne auch mal etwas zäh, dafür ist dieser Blickwinkel aber nicht immer uninteressant. Insbesondere in der ersten Hälfte, wenn über Rückblenden die Jugend von Jane Eyre erzählt wird, findet Fukanaga das richtige Maß und kann seine betuliche Inszenierung dabei schon beinahe als eine Art Psychogramm vortragen. Er vermischt leise Grusel-Inhalte mit der typischen, kitschigen Romantik des Genres und erschafft somit eine recht spezielle Mischung, die mich nicht unbedingt gefesselt hat, aber dennoch eine Zeit lang mein Interesse wachhielt. 
Leider hält er genau diesen interessanten Stil-Mix nicht durch und verschreibt sich schließlich ganz und gar seiner werkgetreuen Geschichte. Diese ist sicherlich zeitlos, ein großartiger Klassiker der Theaterkunst... aber als Film erzählt er uns auf diesem Wege nichts Neues. Wunderbar geschriebene Dialoge, die im modernen Gewand und innerhalb einer bildgewaltigen Inszenierung dennoch merkwürdig schwülstig wirken, vermischen sich dabei mit einigen Längen, da wir die Handlung eben bereits kennen und Fukanaga ihr nach einiger Zeit nichts Neues abgewinnt. 
All das sieht wunderbar aus und glänzt mit Leistungen von achtenswerten Schauspielern, neben Wasikowska fallen besonders die ohnehin immer großartige Judi Dench sowie "Eine dunkle Begierde"-Star Michael Fassbender, der damals nach "Inglourious Basterds" und "X-Men First Class" einen weiteren Schritt Richtung seines enormen Schauspieldurchbruchs ging, positiv auf. Trotzdem konnte mein Interesse nicht aufrecht erhalten werden, die Manirismen des Genres entwickelten sich in altbekanntem Maße und einzig die wundervoll komponierten Bilder hielten mich noch wach. Für Fans von Kostümfilmen hat "Jane Eyre" sicherlich sehr viel zu bieten, wer wie ich mit dem Genre jedoch nichts anfangen kann, wird auch hier weiterhin nicht bekehrt. Kurz: Ich habe mich wesentlich mehr gelangweilt, als ich zu Beginn noch geglaubt habe.

Fazit: Standard-Kostümdrama mit gut aufgelegten Schauspielern und schönen Bildern, wobei Regisseur Fukanaga schon bald seine guten Inszenierungs-Ideen zugunsten des romantischen, kitschigen Plots aufgibt und vergisst, eigene Stilmittel einzusetzen, um eine weitere Verfilmung des Stoffes zu rechtfertigen.

Note: 4+




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