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Marvels Jessica Jones - Die erste Staffel

So richtig gefunkt hat die Beziehung zwischen mir und dem Serienuniversum von Marvel, welches das Netflix-Pendant zu den "Avengers" darstellen soll, zu Beginn noch nicht so richtig - der Einstieg, der mit der ersten Staffel des blinden Rächers Daredevil gemacht wurde, war doch ein recht durchwachsenes Vergnügen. Trotzdem blickte ich der nächsten Etappe weiterhin positiv entgegen, sah Jessica Jones in den ersten Ausschnitten doch bereits wesentlich energiegeladener und unterhaltsamer aus als Matt Murdock. Und tatsächlich, mit den ersten dreizehn Folgen um die whiskeytrinkende und stets einen flotten Spruch absondernde Privatdetektivin haben Marvel und Netflix ihren ersten qualitativen Hit im Serienbereich aufgestellt...

JESSICA JONES - STAFFEL 1


Im Alleingang betreibt Jessica Jones (Krysten Ritter) die "Alias" als Privatdetektivin in New York. Sie ist seit einem Unfall in der Jugend mit unglaublichen Kräften ausgestattet, die ihr bei manch einem kniffligen Fall helfen. Als sie jedoch mit der Situation der jungen Hope Shlottman (Erin Moriarty) konfrontiert wird, die von einem Unbekannten entführt wurde, gerät sie in die Bredouille. Bei dem Täter scheint es sich um den mysteriösen "Kilgrave" (David Tennant) zu handeln, der allein durch Worte die Gedanken anderer Menschen kontrollieren kann und zu dem Jessica bereits eine bewegte Vergangenheit vorzeigen kann. Sie stellt sich dem Gegner schließlich doch - jedoch mit verheerenden Folgen...

Es geht doch! Es war bereits abzusehen, aber mit "Jessica Jones" zeigen Marvel und Netflix, wie eine Comic-Adaption in Serienform, die zudem auch noch Teil des gigantischen MCU und somit auch Teil der "Avengers" ist, auszusehen hat. Die Serie ist zwar immer noch düster und hat auch manch eine überraschende Brutalität mit Vorgänger "Daredevil" gemein, suhlt sich aber nicht in der Abschlachterei, schwelgt gerne auch ein wenig in Humor und lässt die Figuren zu Wort kommen, liefert eine spannende und tiefgreifende Geschichte mit allerlei Wendungen, die nicht zu bloßem Action-Einheitsbrei verkommt und sich ebenfalls nicht dazu entschließt, einfach nur eine recht simple Vorgeschichte zu sein. 
Der größte Pluspunkt liegt dabei in der Hauptfigur selbst, denn im Gegensatz zu dem doch sehr einseitig gestrickten blinden Rächer ist Jessica eine wesentlich sympathischere und menschliche Protagonistin, die gerade durch ihre ständige Motzerei deutlich an Zuneigung der Zuschauer gewinnt. Es fehlt ihr nicht an Humor, trotzdem wird sie nicht zur unaufhaltsamen, sprücheklopfenden Superagentin degradiert, erhält eine zutiefst menschliche Geschichte, einige emotionale Backpacks und enorm viel Tiefe - dass man sich angesichts dieser düsteren Erzählung trotzdem immer wieder zu lockeren Einzelszenen hinreißen lässt, zeigt, dass man beide Welten hier sehr gut verbindet. Für den ehemaligen "Breaking Bad"-Star ist diese Rolle natürlich ein Traum: Krysten Ritter darf eine der toughsten Frauen im ganzen MCU verkörpern, macht ihre Sache dabei absolut ausgezeichnet und wechselt stets glaubhaft zwischen unmoralischem Kotzbrocken, mutiger Heldin und cleverer Detektivin. 
Die Nebenfiguren wirken indes nicht alle herausragend gut geschrieben, insbesondere bei manch einem der immer wieder auftauchenden Nachbarn hätte man sich gerne einige Feinheiten gewünscht, doch ansonsten bekleckert man sich hier ebenfalls mit Ruhm. Im Gedächtnis bleibt dabei vor allem David Tennant, der einen wirklich starken Bösewicht abgibt, nur selten etwas zu arg chargiert und gerade durch seine schier unaufhaltsame Kraft eine echte Bedrohung darstellt. Das Duell zwischen Gut und Böse (wobei diese Beschreibung beinahe zu plakativ erscheint, verschwimmen diese Seiten doch auch gerne mal) dreht sich zwar das ein oder andere Mal im Kreis, trotzdem erschaffen die Macher dabei stets aufs Neue spannende Szenarien, die sich vom Action-Einheitsbrei abheben, gar clevere Unterhaltung bieten und den Zuschauer dazu bringen, auch mal die grauen Zellen anzustrengen. 
Ganz im Gegensatz zu "Daredevil" läuft die Geschichte von "Jessica Jones" wesentlich flotter: Füller sind keine auszumachen, sogar Längen muss man mit der Lupe suchen, die Szenen wirken nicht gedehnt, sondern sind knackig auf den Punkt gebracht, ohne sich jedoch zu hetzen - eine wichtige Mischung, die heutzutage nur noch wenige Serien wirklich gut hinbekommen. Dass diese Show das schafft, ist der Mixtur aus guten Skripten, starken Darstellern (unter anderem sind auch "Matrix"-Star Carrie-Anne Moss und die unter anderem aus "Transformers" bekannte Rachael Taylor mit dabei), mehr als soliden Actionszenen und spannenden Figuren zu verdanken, welche die dreizehn Folgen rasant vergehen lassen, dabei die Serie sowohl mit dem Serien- als auch mit dem Filmuniversum passend verknüpfen, ohne dabei zu vergessen, die Show ihre eigene Luft atmen zu lassen und schlichtweg sehr gut unterhalten. Well done, Mrs. Jones... und gerne auf ein baldiges, weiteres Mal!

Fazit: Flott, spannend erzählt, mit leisem Humor und interessanten Figuren - "Jessica Jones" ist wesentlich packender als "Daredevil", spart nicht an Wendungen und einer recht intensiv erzählten Geschichte und bietet somit einen zutiefst menschlichen, aber streckenweise auch angenehm heiteren Teil in Marvels großem Universum.

Note: 2-




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