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Wind River (2017)

Der Me-Too-Skandal hat viele Opfer in Hollywood gefordert - Opfer, die angesichts solch widerlicher Taten sein mussten, ein wichtiges Zeichen setzten und denen ich abgesehen von der auf einem anderen Blatt stehenden schauspielerischen Qualität so nun auch keine Träne nachweine. Anders sieht es bei den Werken aus, denn diese können nichts für die Missetaten der Männer, die hinter ihnen stehen - so schien es, als würde auch der prominent besetzte "Wind River" noch eine ordentliche Schelte einfahren und dass eben nur, weil die Weinstein Studios als Produzenten maßgeblich an der Entstehung beteiligt waren. Da wollte man den Film gleich ganz abschaffen oder ihn aus den Kinos verbannen, was natürlich keine richtige Entscheidung gewesen wäre. Die Frage ist nun, ob der Skandal dem Werk schadet... denn das sollte nicht passieren, sollten Film und Person doch stets voneinander getrennt behandelt werden.

WIND RIVER


Cory Lambert (Jeremy Renner) arbeitet als Jäger beim United States Fish and Wildlife Service, wo er im Indianerreservat Jagd auf einen Rinder reißenden Puma machen soll. Auf dem Weg findet er im Schnee die Leiche der jungen Natalie Hanson (Kelsey Asbille), Tochter seines guten Freundes Martin (Gil Birmingham). Das FBI wird in Form der jungen Agentin Jane Banner (Elizabeth Olsen) hinzugezogen, um die dortige Polizei zu unterstützen. Die überforderte Banner ersucht Lambert, der das Gelände und die Umgebung kennt, um Hilfe bei dem Fall - gemeinsam suchen sie nach Spuren und kommen schließlich einer grausamen Straftat auf die Schliche, welche zum Tod der jungen Frau geführt haben könnte...

Mit Taylor Sheridans Geschichten wurde ich bislang noch nicht so richtig warm - weder seine Drehbücher zu dem eiskalten Thriller "Sicario" noch zum knurrigen "Hell or High Water" gefielen mir... obwohl diese in Filmkreisen ansonsten hochgelobt wurden. Nun gibt Sheridan sein Regiedebüt unter einem eigenen Drehbuch und seltsamerweise war ich nun mehr als zufrieden, vielleicht auch, weil er seine Geschichte diesmal deutlich geradliniger und flotter erzählt. Einige Schwächen sind im Genre begründet - so hängt der Film im Mittelteil mal eine Zeit lang durch und lässt für Knobler auch das nette Mitraten vermissen. "Wind River" zeichnet sich eher durch einige krasse Wendungen aus, die man aber nicht erraten kann, sodass man zwar mitfiebert, aber niemals miträtselt. 
Das muss man aber auch gar nicht, bietet Sheridan hier doch genug auf, um uns über gute zwei Stunden hinweg in den Kinosessel zu bannen. Er lässt sich viel, aber nicht zu viel Zeit, um seine Figuren zu charakterisieren. Er verrät nicht alles über sie, aber zumindest genügend, sodass wir gern mit ihnen auf Reisen gehen. Und er bietet einen interessanten, lebhaften und ziemlich spannenden Thriller-Plot auf, der gegen Ende eine heftige Auflösung erfährt. Im Grunde also alles drin, was sich der Genre-Fan so wünschen kann, abgespeckt wurden dabei etwaige Liebesgeschichten, die eh nicht in diese trostlose Gegend gepasst hätten. Das Tempo bleibt dabei zwar nicht immer gleichbleibend hoch, dafür weiß Sheridan aber die Atmosphäre seines Handlungsortes auf herausragende Art und Weise zu nutzen. 
Selbst im warmen Kinosaal zittern wir praktisch mit angesichts der erbarmungslosen Kälte, welche hier herrscht, angesichts der Massen an Schnee und Eis. An die Hand genommen werden wir dabei weitestgehend von der in dieser Umgebung ebenfalls unbekannten FBI-Agentin, die sich ebenso wie der Zuschauer erst in der trostlosen Wildnis zurechtfinden muss und daher als Bindungscharakter fungiert, wogegen Jeremy Renners Lambert als knurriger Fährtenfinder mit trockenen Sprüchen und einem Herz unter einer Eisschicht der klare Anführer des Trupps ist. Um große Subplots wird sich hier nicht gekümmert, jedes Rädchen dreht sich für die große Geschichte mit, weswegen es dann auch kein riesiges Ensemble, sondern eben nur zweckdienliche Szenarien gibt. Das klingt kälter, als es dann aber letztendlich ist, denn gerade in der zweiten Hälfte offenbaren sich einige Szenen von unglaublichem Herz. 
Wenn Sheridan im letzten Ende dann auch plötzlich das Gaspedal durchdrückt und innerhalb von Sekunden mit einer der intensivsten Schießereien der letzten Kinomonate und einem grandiosen Showdown sowie einer der grausamsten und brutalsten, aufklärenden Rückblenden für etwaige, vorhergehende Längen entschädigt, dann sind wir endgültig richtig gehookt - wie spannend eine solche Hatz im Eis sein kann, hätte sich ein "Schneemann" vom Vorjahr hier noch einmal abgucken können. Schauspielerisch ist das natürlich in erster Linie die Show der beiden "Avengers"-Stars Jeremy Renner und Elizabeth Olsen, man darf jedoch auch zwei andere nicht vergessen. Zum einen versprüht "Twilight"-Indianer Gil Birmingham in seinen wenigen Szenen eine schier unglaubliche Ausstrahlung, zum anderen gefällt auch Graham Greene als etwas einfältig wirkender, dafür aber tougher und charmanter Cop, der die Gegend so gut kennt wie seine Westentasche und der wesentlich jüngeren FBI-Agentin dann auch gerne mal die Leviten liest.

Fazit: Intensiver Thriller, der sein Tempo nicht immer hält, dafür aber mit eisiger Atmosphäre, tollen Darstellern und einem grandios-schmerzhaften Schlussdrittel entschädigt. Hochspannend, dabei aber auch immer wieder durchsetzt mit Momenten einsamer Schönheit - Taylor Sheridans bislang bestes Werk.

Note: 2-






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