Direkt zum Hauptbereich

Coco - Lebendiger als das Leben

Mal wieder Aufregung beim Thema Disney. Erwartungsfreudige Zuschauer des neuen Pixar-Films "Coco" wähnten sich bereits im falschen Kinosaal, als vor Beginn des eigentlichen Streifens ein zwanzigminütiger (!) Kurzfilm über Schneemann Olaf aus "Die Eiskönigin" auf sie wartete. Es war wohl weniger die doch eher schwache Story-Qualität des Werks, welches die Zuschauer in Aufregung versetzte (wobei, gut, vielleicht die auch...), sondern viel mehr, dass die Leute einen Film sehen mussten, für den sie sich im schlimmsten Fall nicht interessierten. Nun gut, "Olaf taut auf" ist nicht der Rede wert und es gibt sicher weitaus schlimmere Dinge, dennoch werden die Nerven der Zuschauer, die sich auf ein ganz anderes Thema freuen, doch etwas strapaziert. Kurzfilme schön und gut (die von Pixar haben sowieso meist eine fantastische Qualität), aber vielleicht nicht in zwanzig Minuten Länge. So viel dazu, nun zu "Coco"...

COCO


Der kleine Miguel träumt schon immer davon, eines Tages genauso wie der früh verstorbene, aber weiterhin enorm berühmte Sänger Ernesto de la Cruz ein gefeierter Musiker zu werden... seine Familie allerdings hat Musik in ihren Kreisen komplett verboten. Auf dem Weg, seinen Traum gegen den Willen seiner Familienmitglieder doch noch zu verwirklichen, landet Miguel schließlich ohne Absicht im Reich der Toten. Falls er bis Sonnenaufgang nicht wieder von dort verschwinden kann, wird er ebenfalls sterben. Dabei trifft er auch verstorbene Familienmitglieder, die ihn jedoch nur wieder in seine Heimat zurückschicken wollen, wenn er die Musik aufgibt. Miguel möchte dies nicht annehmen und begibt sich auf die Suche nach seinem Traum... und einem Weg nach Hause, der ihm diesen nicht wegnehmen wird.

Die Kritiken sind endlich wieder gut, zum ersten Mal seit dem im Jahr 2015 alles überragenden "Alles steht Kopf", wie es scheint. Und woran liegts, dass die Reviews zu "Coco" diesmal nicht nur gut ausfallen, sondern dies auch noch mit Recht geschieht? Offensichtlich weil es sich hier mal wieder um einen Originalstoff handelt und nicht um ein erneutes Sequel a la "Findet Dorie" oder "Cars 3", die zwar alle irgendwie nett, aber eben doch kein großer Kinospaß waren. Der neueste Streich aus dem Hause Pixar versetzt uns nun nach Mexiko und besitzt als zentrales Handlungsthema den an diesem Ort enorm berühmten "Tag der Toten"... dort wurde der Film dann natürlich auch gleich zu einem echten Kassenschlager. Ob sich "Coco" hierzulande ebenso gut schlagen wird bleibt noch abzuwarten, zu wünschen wäre es ihm jedoch allemal, da man hier vielleicht keinen Film sieht, der es mit Pixars absoluten Meisterwerken aufnehmen kann, aus der Masse an diesjähriger, doch eher mauer Animationsware aber ganz klar positiv hervorsticht. 
Man kann bemängeln dass einige Handlungswendungen doch arg vorhersehbar sind und auch das Ende, so emotional es auch ausfällt, doch ein wenig zu glatt daherkommt. Das stört aber, ebenso wie einige kleine Längen, kaum, da die Welt, in welche uns Pixar hier entführt, einfach wieder neue Maßstäbe setzt. Sowohl auf technischer Ebene (neben "Blade Runner 2049" zählen die Aufnahmen hier zum Besten, was das Jahr 2017 im Kinobereich zu bieten hat) als auch auf rein kreativer Basis verzaubert man das Publikum rundum mit frischen Ideen und lädt endlich wieder zum Staunen ein. Man wird "Coco" sicherlich mehrere Male sehen müssen, um all die Details im Hintergrund, all die versteckten Gags und die kulturellen Anspielungen erblicken zu können... Pixar schafft es hierbei, immer wieder für kleine Überraschungen zu sorgen, das Werk aber dennoch nicht mit Zitaten und Mini-Details zu überfüllen und den Fokus auf Geschichte und Charaktere zu halten. 
Erstere fällt dabei ausreichend flott und spannend aus, lässt es ein wenig an dem wirklich genialen Humor vermissen, bietet dafür aber jede Menge großer Gefühle - besonders Musikliebhaber werden sich hier wohlfühlen, kann der Film doch die Liebe zu dieser Leidenschaft in wortlosen Bildern herausragend übertragen. Die Charaktere schließt man ebenfalls flott ans Herz: Grauzonen sollte man hier nicht erwarten, dafür aber Figuren mit Charme und einigen sehr netten Tiefen, die dazu einladen, die Hintergründe doch noch etwas weiter zu erforschen. Besonders gut gefiel mir die Verbindung zwischen persönlichen Träumen und Leidenschaften und der Verbindung zur Familie - dass sich Pixar hier nicht nur für eine Seite entscheidet, sondern einen schönen Mittelweg findet, den man zwar kommen sieht, aber dennoch sehr stimmig wirkt, ist eine der schönsten Ebenen, die "Coco" hier betritt und in einem hervorragenden, runden Finale perfektioniert. 
Der Film an sich ist nicht in allen Ebenen so stimmig geraten - es fehlt an richtig erinnerungswürdigen Gags und manchmal auch ein wenig an Fahrt, aber das ist halb so schlimm. Denn wenn schon ein Werk von Pixar endlich wieder mit Originalität, spritzigen Ideen, einem Thema, welches ebenso mutig wie interessant daherkommt und viel Herz aufwartet, sollte man sich einfach zurücklehnen und genießen. Erwachsene kommen dabei jedoch sichtlich besser auf ihre Kosten - für die Kleinen dürfte das Thema doch ein wenig zu sperrig und dialoglastig daherkommen. Im Kino jedenfalls wurde es bald unruhiger, was jedoch nicht an der Qualität des Werkes an sich liegen dürfte.

Fazit: Wunderbar kreativer Pixar-Spaß, der uns in eine originelle Welt entführt. Auf Handlungsebene manchmal etwas zu einseitig sorgen die etlichen Details, die schnörkellosen Animationen und die herzlichen Charaktere für viel Spaß, wobei auch ehrliche Emotionen und ein schönes, noch nicht zu abgewetztes Thema nie zu kurz kommen.

Note: 2-




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid