Direkt zum Hauptbereich

Wenn Träume fliegen lernen

Eigentlich hatte der als Oscar-Kandidat ins Rennen geworfene "Wenn Träume fliegen lernen" bereits 2003 erscheinen sollen, nach einer müden "Peter Pan"-Neuverfilmung bekam das Studio Miramax jedoch kalte Füße und behielt den Film erst einmal unter Verschluss, bis er ein Jahr später (in Deutschland sogar erst 2005) doch noch die Kinoleinwände erblickte... und Publikum sowie Kritiker nachhaltig verzauberte. Johnny Depp kassierte dafür sogar seine zweite Oscarnominierung und auch dies völlig zurecht, liefert er hier doch eine der besten Leistungen in seiner an großartigen Darstellungen sicher nicht armen Karriere.

WENN TRÄUME FLIEGEN LERNEN


Als der Theaterautor James Barrie (Johnny Depp) eines Nachmittags im Park die junge Witwe Sylvia Davies (Kate Winslet) und ihre vier Söhne kennenlernt, ändert sich sein Leben. Trotz seiner schwierigen Ehe mit seiner Frau Mary (Radha Mitchell) fühlt sich Barrie zu der Familie hingezogen und auch die Kinder werden von der lebendigen Fantasie des Künstlers gepackt, durch welche er sie immer wieder aus der schnöden Realität entführen kann. Dank seinen Erlebnissen erlangt Barrie die Idee zu einem neuen Stück namens "Peter Pan", dessen Titelfigur er nach Sylvias zweitjüngstem Sohn Peter (Freddie Highmore) verfasst. Mit der Zeit glauben Außenstehende jedoch daran, dass Barrie nur noch schwer zwischen Fantasie und Realität unterscheiden kann und nicht mehr weiß, was man das reale Leben noch unterdrücken sollte...

Johnny Depp ist eigentlich das Paradebeispiel für einen Schauspieler, der skurille Rollen ausfüllen kann und sich dabei immer wieder neu erfindet. Dass er sich in einer Rolle auch mal extrem zurücknimmt, mit leisen und unterschwelligen Tönen überzeugt, das ist wirklich sehr selten und kann unter seinen ganzen Comedy-Ausflügen a la "Fluch der Karibik" und "Lone Ranger" schon einmal untergehen... doch 2005 gab es einen solchen Part für ihn tatsächlich, als er die Hauptrolle in dem bewegenden Drama "Wenn Träume fliegen lernen" bekleidete. Depp überzeugt hier durch eine sehr nuancierte und tiefe Performance, bei welcher er komplett ohne Grimassierungen oder wilde Gesten auskommt und sich anstattdessen schlicht und einfach auf seine Ausstrahlung verlässt. Zum Lohn gab es eine Oscar-Nominierung für den besten Hauptdarsteller und das Lob der versammelten Kritiker und dies auch vollkommen zurecht, denn selten war Depp tatsächlich so stark und emotional packend wie hier. 
Da er den Film mit seiner Leistung auch schlichtweg beherrscht, bleibt für den Rest des Casts weniger zu tun. Herausstechen können schließlich noch Julie Christie als garstige und strenge Mutter Sylvias, die mit eiskalter Präsenz überzeugt sowie der damalige Newcomer Freddie Highmore, das Paradebeispiel eines grandiosen Kinderdarstellers, der einfühlsam und mutig in die Rolle des unverstandenen Kindes schlüpfte. Neben einer soliden Kate Winslet ist den Machern natürlich auch mit der Besetzung Dustin Hoffmanns ein besonderer, kleiner Coup gelungen, spielte der doch im allseits beliebten Familienfilm "Hook" die Rolle des Antagonisten und kehrte nun vierzehn Jahre später wieder in die Nimmerland-Thematik zurück... zumindest auf gewisse Art und Weise. 
Neben der starken Besetzung ist es auch die mehr als fähige Regie von Marc Forster, die den Film mehr als sehenswert macht. Wie er es durch clevere Schnitte und eine wunderbare Ausstattung immer wieder schafft, Realität und Fantasie nebeneinander zu stellen oder sie gar verschmelzen zu lassen, das ist schon eine wunderbare Bildkomposition und dürfte gerade im letzten Drittel mehrfach für feuchte Augen der Rührung sorgen. Unterstützt mit einem wundervollen Soundtrack (die einzige Kategorie, in der "Wenn Träume fliegen lernen" tatsächlich einen Oscar gewann) entstehen hier Bilder, die man so schnell nicht mehr vergisst. 
Auch die Geschichte überzeugt, auch wenn man angesichts der hier wieder angesagten "True Story" vorsichtig sein sollte, denn die Macher nahmen sich viele kreative Freiheiten und änderten dabei jede Menge Fakten ab... was jedoch okay ist, wenn das Ergebnis filmisch dann weitestgehend überzeugt, so wie es hier der Fall ist. Einige kleine Schönheitsfehler wie die doch etwas zu kurze Laufzeit von nur anderthalbn Stunden stören letztendlich doch ein wenig, denn mit etwas mehr Ausführlichkeit hätte gerade die Beziehung zwischen Barrie und Sylvia noch besser beschrieben werden können und auch manch eine Nebenfigur bekommt zu wenig Zeit, um wirklichen Eindruck zu hinterlassen, was besonders für die von Radha Mitchell gespielte Ehefrau Barries gilt. Das ist zwar Jammern auf hohem Niveau, spürbar ist jedoch auch über die großen, treffsicheren Emotionen hinweg, dass hier ab und zu auch noch etwas mehr zu holen gewesen wäre.
Fazit: Bewegendes Drama über das Spiel mit Fantasie und dem realen Leben, von Johnny Depp eindrücklich gespielt und mit einer wunderbaren Regie ausgestattet. Trotz minimaler Story-Schwächen für alle einen Blick wert, die auf große Gefühle Wert legen.

Note: 2-




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid