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Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen

Letztes Jahr verursachten die Oscars einen Skandal, als die gesamte Nominierungsliste ausschließlich weiße Menschen enthielt, Afroamerikaner komplett außer Acht gelassen wurden. An dieser "White"-Debatte habe ich mich nie wirklich beteiligt, da schauspielerisches Talent eben über Hautfarben und Rassen hinausgeht, dennoch begrüße ich zumindest die Änderungen, die sich in der zuvor weitestgehend älteren und weißeren Jury der Academy zugetragen haben. Größere Chancen sollte man dem dreifach nominierten "Hidden Figures" deswegen aber nicht einrechnen, denn auch wenn dieser offensichtlich auf dieser Debatte mitschwimmt, ist die Konkurrenz in diesem Jahr schlichtweg enorm. Dies schmälert aber nicht den Film an sich, denn dieser ist größtenteils gelungen...

HIDDEN FIGURES


1961: Die drei befreundeten farbigen Mathematikerinnen Katherine Goble (Taraji P. Henson), Dorothy Vaughan (Octavia Spencer) und Mary Jackson (Janelle Monae) arbeiten für das Raumfahrtprogramm der NASA, wo sie Berechnungen durchführen. Bereichsleiter Al Harrison (Kevin Costner) ist frustiert, da es Amerika noch immer nicht gelungen ist, einen Mann in den Weltraum zu befördern, während die Russen ihnen mehrere Schritte voraus sind. Während sich Katherine, Dorothy und Mary trotz ihrer enormen Intelligenz keine Hoffnungen machen können, in der NASA aufzusteigen, da ihnen ihre Hautfarbe dies verwehrt, sieht sich Harrison genauer um. Dabei macht er auch die Bekanntschaft mit Katherine und befördert sie in seine Abteilung der Umlaufsbahnberechnung...

Wie es der Trailer bereits erahnen ließ, ist "Hidden Figures" deutlich als Feel-Good-Movie konzipiert, welches das Publikum aufbauen und es möglichst mit einem zufriedenen, gerührten Lächeln aus dem Kinosaal entlassen soll. Dies gelingt dem Film in jedem Fall, beeindruckend ist es dennoch, wie genau die Macher wissen, welche Knöpfe sie bei den Zuschauern drücken müssen, um genau die richtigen Emotionen hervorzurufen. Das ist auf gewisse Weise berechnend und auch immer wieder auffällig, weswegen sich zumindest bei mir die ganz großen Gefühle nicht immer einstellen wollten. Getragen von einer sensiblen, aber auch durchaus auf den Gefühlen klimpernden Musik von Hans Zimmer und beendet mit einem arg konstruierten Finale, bei welchem sich die Macher innerhalb dieser wahren Geschichte doch einige zeitliche Freiheiten nahmen, um noch ein wenig mehr Herzklopfen wachzurufen, ist "Hidden Figures" ein Drama, welches eben genau weiß, wo es das Publikum abholen muss. 
Das klingt nun streng und sicherlich wäre der Film ebenso gut, vielleicht sogar besser gewesen, wenn man es in Sachen Kitsch (oder zumindest grenzwertigem Kitsch, der so noch in Ordnung geht) und einigen denkwürdigen Szenen nicht ganz so übertrieben hätte. Ein durchaus überzeugender und bewegender Film ist es aber dennoch geworden, der eine bislang kaum bekannte Geschichte erzählt, die es durchaus verdient, endlich mal erzählt zu werden und sowohl für die Raumfahrt als auch für die afroamerikanische Bevölkerung ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung war. 
Ganz besonders gelungen ist den Machern dabei die Besetzung, die mit einigen bekannten Namen aufwartet. Am meisten stechen sicherlich Taraji P. Henson in der Hauptrolle sowie die bereits für einen Haufen Filmpreise nominierte Octavia Spencer heraus. Während Hanson die Gefühle der Zuschauer durch eine kraftvolle Performance rasch auf ihrer Seite hat, überzeugt Spencer mit einer zurückhaltenden und ruhigen Leistung für (noch) mehr Eindruck. Da ist es fast schade, dass sie erst im letzten Drittel so richtig von der Leine gelassen wird. 
Ebenfalls beeindruckend spielt sich hier Kevin Costner nach vorne, der streckenweise gar hinter seiner Rolle verschwindet und mit kleinen Nuancen zu packen weiß. Ähnliches Spiel betreibt Jim Parsons, der hier endlich einmal beweisen darf, dass er weit mehr kann als bloß den lustigen Nerd in "The Big Bang Theory" zu spielen. Ebenso wie die großartige Kirsten Dunst reichen Parsons hier kleine Gesten, um ganz große Themen aufzumachen. Wie es Dunst und Parsons hier streckenweise nur durch Blicke gelingt, einen tief verwurzelten Rassismus aufzuzeigen, das ist schon große Schauspielkunst. Hier darf sich tatsächlich die komplette Besetzung ein großes Lob abholen, denn so zuverlässig, wie sich alle vor der Kamera Beteiligten die Bälle zuspielen und daraus große Leistungen entwickeln, das sieht man nicht alle Tage. 
Die Geschichte überzeugt indes natürlich, trotz vermeidbarem Pathos und einer eher langwierigen und in dieser Form bereits zu oft gesehenen Familienstory als Subplot, ebenfalls. Das Drehbuch spielt gekonnt mit einem gewitzten Humor, mit leisem Drama und netter Geschichtsstunde, wobei die 60er-Jahre durch sympathische Details passend zum Leben erweckt werden. Das ist alles im Kern nicht neu, es ist aber dennoch sehr gekonnt gemacht und spricht, wenn auch kalkuliert, genau die richtigen Gefühle an. Und das ist ja doch irgendwie sehr schön.
Fazit: Etwas weniger Kitsch und Pathos hätten dem Drama gut getan, dafür überzeugt "Hidden Figures" mit einer kraftvollen Geschichte über starke Frauen, einem tollen Schauspiel-Ensemble und einer schnörkellosen Inszenierung.

Note: 3+




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