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Haywire

Amazon Prime entfernt in den letzten Wochen wieder viele Filme aus ihrer Sammlung, um Platz für neue Blockbuster (u.a. stoßen bald "E.T." und "Fast & Furious 7" hinzu) zu machen. Immerhin geschieht das, anders als bei Netflix, mit Vorwarnung. Filme, die nur noch einen Monat oder weniger verfügbar sind, sind in einer eigenen Liste zu finden, sodass man diese noch nachholen kann, sofern man dies möchte. Ich tue dies in letzter Zeit und habe mir nun auch noch flott Steven Soderberghs "Haywire" angesehen, bevor er von Prime Video verschwindet...

HAYWIRE


Mallory Kane (Gina Carano) ist eine ausgebildete Agentin, die jedoch nicht für die Regierung, sondern für private Dienstleiter arbeitet. Während ihres letzten Auftrages wurde sie hintergangen und steht nun im Fadenkreuz ihrer einstigen Kollegen und Vorgesetzten, ist auf der Flucht und muss sich durchschlagen. Dieser Verrat scheint jedoch noch höher zu reichen, als Mallory dachte und auf ihrem Weg, die Drahtzieher zu entschlüsseln, ist sie nirgendwo mehr sicher...

Nachdem Steven Soderbergh 2007 seine "Oceans"-Trilogie abgeschlossen hatte (die ich vor mehreren Jahren gesehen habe und nicht sonderlich mochte) und seitdem pflichtbewusst jedes Jahr einen Film veröffentlichte, in den unterschiedlichsten Genres, zog es ihn im Jahr 2012 hin zum reinrassigen Action-Thriller. "Haywire" soll dabei nichts Besonderes sein, ein Film, der anderthalb Stunden lang unterhält und besonders durch seine Actionszenen überzeugt. 
Und das tut er, denn gerade die grandiosen Kampf-Choreographien, in denen sich Hauptdarstellerin Gina Carano mit verschiedensten Antagonisten anlegt, sind das Herz des Films. Ein wenig altmodisch, genau deswegen so charmant und durch den Blick auf den harten Realismus und einen echten Ton wirken diese Szenen sehr hart und man zuckt bei manch einem Schlag tatsächlich mal zusammen, als wäre man selbst von der Faust getroffen worden. Auch die Verfolgungsjagden per Auto und zu Fuß sind sehr hübsch inszeniert. Soderbergh verzichtete auf blitzschnelle Schnitte, wie sie im heutigen Action-Kino ja noch immer viel zu gerne eingesetzt werden, und hält einfach die Kamera drauf. Das wirkt dann zwar nicht unbedingt zeitgemäß, manchmal sogar etwas zu langsam, aber es ist eben auch intensiver als vieles von dem, was das Blockbuster-Kino heutzutage so abliefert und wo um schmerzhafte Schläge und Stürze einfach herumgeschnitten wird, was nicht annähernd das gleiche Gefühl erzeugen kann. 
Auf Action-Ebene kann "Haywire" also weitestgehend überzeugen und viel mehr will der Film auch eigentlich gar nicht sein... dennoch muss man auch andere Aspekte bewerten und dabei fällt das Werk unnatürlich stark ab. Die Charaktere sind so unterdurchschnittlich geschrieben, dass wir uns für die meisten schon während der einigermaßen flott vergehenden anderthalb Stunden nicht mehr interessieren, selbst die Hauptfigur, von Gina Carano solide verkörpert (obwohl sie in Actionszenen eine weitaus bessere Figur macht als in Dialogszenen), wird mit kaum Background ausgestattet und ist eben nicht weit mehr als die gute Agentin, die Rache nehmen will. Das stammt aus dem Baukasten für Action-Thriller und wirkt dementsprechend fade. Aus der namhaften Starbesetzung ragt neben Carano allenfalls noch Ewan McGregor heraus, der angenehm schmierig seinen Bösewicht verkörpert und auch Michael Fassbender darf noch einiges an Charme aufblitzen lassen. Andere große Namen wie Channing Tatum, Michael Douglas und Antonio Banderas tauchen jedoch nur für sehr wenige Szenen auf und schaffen es in dieser kurzen Zeit auch kaum, ihren flachen Charakteren Tiefe zu verleihen. Bei einer solch mageren Geschichte, die eben nur Altbekanntes aus dem Genre abspult, ist das aber eben auch nicht so einfach und so finden wir uns schließlich in einem ziemlich vorhersehbaren, irgendwie auch seelenlosen Film wieder, dessen Geschichte und Figuren uns nicht die Bohne interessieren und der nur durch seine charmante, etwas altmodische Inszenierung und der knallharten Actionszenen gewinnen kann.
Fazit: Die Actionszenen wissen zu gefallen und inszenatorisch wird noch einiges rausgeholt. Die magere Geschichte und die unterforderten Stars, die blasse Charaktere füllen müssen, sorgen jedoch nicht gerade für Begeisterungsstürme.

Note: 4+




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