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Im Herzen der See

Um Moby Dick reihen sich etliche Mythen und Legenden. Das Buch galt lange Zeit als Pflichtlektüre zu Schulzeiten, dabei war es nur eine inspirierte Geschichte von einer ganz anderen Wahrheit. Dass man sich der Story rund um den riesigen Wal nun also von der anderen Seite nähert und die Abenteuer der Männer erzählt, welche das gigantische Tier entdeckten, ist erfrischend. Und mit Ron Howard ist auch noch ein mehr als versierter Regisseur an Bord. Da kann doch eigentlich gar nichts mehr schiefgehen, oder?

IM HERZEN DER SEE


Das Jahr 1850: Der an der Flasche hängende, frühere Seemann Thomas Nickerson (Brendan Gleeson) erzählt dem jungen Autoren Herman Melville (Ben Whishaw) sein größtes Abenteuer, welches er mit vierzehn Jahren erlebte. Damals war Nickerson (jetzt: Tom Holland) an Bord des Walfangschiffes "Essex" stationiert, welches die Meere auf der Jagd nach Walöl durchquerte. Dabei kommt es zu Konflikten zwischen dem noch unerfahrenen Kapitän George Pollard (Benjamin Walker) und seinem ersten Maat Owen Chase (Chris Hemsworth). Als die Crew mitten in einer Herde von Walen jedoch auf einen monströsen Pottwal trifft, welcher das Schiff attackiert und die Männer dezimiert, wird es mehr als brenzlig...

Eins konnte man aus den Trailern schon erahnen: Optisch ist "Im Herzen der See" (beworben als wahre Geschichte um den Mythos Moby Dick) eine kleine Meisterleistung. Auch wenn einige Effekte als solche auch zu erkennen sind, ist das Gesamtbild unglaublich positiv. Durch detailreiche Sets, eine pompöse Ausstattung und visuelle Tricks, die mehr als state of the art sind, entstehen imposante und beeindruckende Bilder. Wenn der gigantische Wal seine Schwanzflosse erhebt und sie mit lautem Krach ins Wasser knallen lässt, dann bleibt einem glatt mal der Mund offenstehen. Die Effekte sind hier keine Klotzerei, sondern stehen im Dienst der Geschichte... was die Actionszenen dann tatsächlich richtig packend macht, da wir nicht ständig mit ihnen zugebombt werden. Anstattdessen nimmt sich Regisseur Ron Howard angenehm viel Zeit, um seine Geschichte in Stellung zu bringen, zeigt uns erst einmal, was Hauptfigur Chase an Bord der Essex treibt. Anschließend dauert es noch einmal über eine halbe Stunde, bis die Crew auf "Moby Dick" trifft... zuvor haben wir ihnen bei allerlei Abenteuern auf hoher See zugesehen. Leider verpasst Howard hier aber den entscheidenden Schritt, uns richtig ins Abenteuer hineinzuziehen, denn bei den meisten Charakteren ist ihm nicht genug eingefallen. Viele von ihnen werden nur sehr oberflächlich gezeichnet, die Konflikte, die zwischen ihnen aufkeimen, haben nicht genug Dampf, uns fehlen Hintergründe und Details, mit denen wir mit den Figuren sympathisieren könnten. So ist es im Grunde schon bald nicht mehr so wichtig, wer die Strapazen auf hoher See überlebt und bei all den vielen Gesichtern bekommt man manchmal gar nicht mit, wer da jetzt nun über Bord gegangen ist. Der große Wal, auf den das Publikum dann wartet, hat im Grunde letztendlich auch gar nicht mal so viele Auftritte. Seine Attacken sind zwar stets fantastisch inszeniert, haben Drive und auch eine gewisse Intensität zu bieten, darüber hinaus bietet "Im Herzen der See" aber erstaunlich wenig Action und konzentriert sich im letzten Drittel nicht mehr auf spektakuläre Action, sondern auf die Misere der verlorenen Männer. Hier erschafft Howard dann erneut einige starke Ansätze, auch wenn ihm in den letzten Momenten manchmal der Mut fehlt, um wirklich zu schockieren, was aber auch an den eben doch recht eindimensionalen Figuren liegen könnte. Schauspielerisch sieht man von allen Beteiligten sehr solide Arbeit, Chris Hemsworth ist als kerniger Held natürlich eine Idealbesetzung und auch der neue Spider-Man Tom Holland weiß als abenteuerlustiger Knabe zu überzeugen. Ebenfalls eine Erwähnung verdient sich Benjamin Walker, der als steifer Kapitän, der schließlich den Ernst der Lage zu spät erkennt, einer an sich farblosen Rolle einiges an Konturen verleiht. Darüber hinaus werden die Schauspieler angesichts des doch eher vorhersehbaren Skripts weniger gefordert. Fazit: Ein optisches Feuerwerk mit intensiver Action und wunderschönen Bildern. Die Zeichnung der Charaktere ist dagegen recht oberflächlich geblieben. Ein spannendes Abenteuer mit angenehmen, ruhigen Passagen ist dennoch drin.

Note: 3+


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