Direkt zum Hauptbereich

Ein tolles Leben - Hast du keins, nimm dir eins!

Wie weit muss man sein, um zu entscheiden, sein aktuelles Leben komplett in die Tonne zu hauen und einfach ganz von vorne zu beginnen? Manch einer würde solch ein Reboot seiner ganzen Existenz sicherlich reizvoll finden, doch fehlt die Möglichkeit dazu und selbst wenn man mit einer solchen Entscheidung liebäugeln wolle... was würde mit den Menschen geschehen, die wir zurückließen? All das sind Fragen, die aufgrund eines solchen Themas aufkreuzen und "Ein tolles Leben" hätte sich angesichts dieser Ausgangssituation locker damit auseinander setzen können, bleibt insgesamt jedoch im Unterdurchschnitt hängen.

EIN TOLLES LEBEN


Wallace Avery (Colin Firth) hat seine Karten gespielt und sich zu diesem Schritt entschlossen. Nachdem seine Familie ihn mit Ignoranz straft und auch seine Ex-Frau Janie (Devon Woods) nichts mehr von ihm wissen will, macht Wallace ernst, besorgt sich einen gefälschten Pass und reist als Arthur Newman aus dem Land. Während seines Neuanfangs trifft er auf die betrunkene Autofahrerin Michaela Fitzgerald (Emily Blunt), die selbst vor sich davonläuft. Aus beiden wird ein obskures Paar, welches ihre Leben wieder auf die Reihe bekommen möchte und dabei eine sehr spezielle Beziehung beginnt...

Es ist schade, aber oftmals ist es einfach so. Die Darsteller mühen sich redlich und wissen den Film auch mit ebenso charmanten wie überzeugenden Performances zu tragen. Colin Firth, der zwei Jahre vor dem Erscheinen dieses Werks noch völlig zurecht mit dem Oscar als bester Hauptdarsteller für "The Kings Speech" ausgezeichnet wurde, liefert hier eine ebenso witzige wie herzliche Vorstellung als Mann am Ende seines Wissens ab. Wie er immer wieder in Situationen hineingerät, die ihn gleichsam überfordern als auch irgendwie anfixen, wie er langsam aber sicher begreift, dass ihm als eine Art neuer Mensch nun so viele Möglichkeiten offenstehen, das hat schon etwas. Ihm gegenüber steht Emily Blunt, bei der man sowieso keinerlei Zweifel haben muss - sie ist eben immer mindestens sehr gut und zeigt ihr herausragendes Talent dann sogar in schwächeren Blockbustern wie "Edge of Tomorrow" oder "The Huntsman and the Ice Queen". Als etwas aus dem Leben getretenes, von ihrem Schicksal schwer geschädigtes Fräulein, die ihre Sorgen in Drogen ertränkt, liefert sie eine starke Performance und gemeinsam mit Firth gibt sie dann auch ein gutes Pärchen ab. Es wirkt stellenweise etwas obskur, aber zumindest immer noch einigermaßen glaubwürdig. 
Doch obwohl Firth und Blunt überzeugen und auch noch von einer Schar meist nur sehr kurz auftretender Nebendarsteller unterstützt werden (darunter "Zu guter Letzt"-Star Anne Heche oder der aus dem Action-Thriller "Sleepless" bekannte Steve Coulter), wurde ich mit den Figuren niemals warm. Was genau Wallace alias Arthur Newman hier antreibt, einfach mal den Stecker zu ziehen und von vorn anzufangen, wird zwar klar, entwickelt sich aber zu einer für den Zuschauer nicht gänzlich überzeugenden Geschichte. Es scheint, als wolle Regisseur Dante Ariola vermitteln, was es heißt, den Traum zu leben, ohne Konsequenzen einfach davonfahren zu können und auch wenn dies eine an sich nette Idee ist, so findet er niemals den Zugang zu seinem Material. 
Seine Inszenierung bleibt bieder, die Dialoge oberflächlich und sogar die an sich charmante Beziehung der beiden Hauptakteure kommt selten über ein etwas zu sehr gewolltes Pärchen heraus. Die Handlung verläuft teils schleppend, teils richtiggehend unglaubwürdig und der ach so verrückte Roadtrip, den Wallace und Michaela hier durchziehen, besteht dann doch meist nur aus illegalen und eben gar nicht so aufregenden Einbrüchen in fremde Wohnungen. Das hat dann leider weder besonders viel Witz noch eine großartig ansprechende Message und bleibt damit bestenfalls belanglos. Man kann sich den Abend sicher schlechter vertreiben, aber man sollte nicht zu viel erwarten... und Blunt und Firth kann man auch in weitaus besseren Filmen mit mindestens ebenso überzeugenden Performances bewundern.

Fazit: Eher lascher Mix aus Roadmovie, Selbsterkenntnis und skuriller RomCom, der ausschließlich von seinen gut aufgelegten Darstellern lebt. Die Figuren jedoch blieben mir seltsam fern, die Handlung wirkt schleppend und gekünstelt aufgebauscht.

Note: 4




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid