Direkt zum Hauptbereich

Die Erfindung der Wahrheit

Früher hatte ich manchmal Probleme, Filme auf Amazon Prime abzuspielen - dank meiner niedrigeren Internetleitung ruckelten die Streifen und schwankten in der Bildqualität merklich. Bei Netflix gab es keine Schwierigkeiten, dennoch freute ich mich im Zuge meiner neuen Wohnung auch auf die neue und diesmal weitaus schnellere Internetleitung, die nun auch die Sichtung von Werken auf Prime zu einem optischen Genuss machen sollte. Und siehe da, es funktioniert: "Die Erfindung der Wahrheit" ruckelte zu keiner Sekunde und war durchgehend in vollstem HD zu bewundern. Das macht diesen eher halbgaren Polit-Thriller zwar nicht besser, aber es macht auch bei schwächeren Filmen doch mittlerweile deutlich mehr Spaß, hinzusehen...

DIE ERFINDUNG DER WAHRHEIT


Elizabeth Sloane (Jessica Chastain) arbeitet in der Lobby-Firma Cole Kravitz & Waterman und taktet darin gnadenlos die neuesten Deals und Reformen durch - dabei hat sie den Ruf eines eiskalten, verrückten und dennoch unglaublich cleveren Racheengels. Als der Pistolenhersteller Bob Sanford (Chuck Shamata) mit der Firma kooperieren will, stellt sich Sloane gegen ihre Vorgesetzten und wendet ihr den Rücken zu, wobei sie den Großteil ihres Stabes mitnimmt. In den nächsten Monaten bringt sie eine wahre Schmutzkampagne gegen das neue Waffengesetz, welches den Handel mit Schusswaffen sogar an Hausfrauen hinaus ausweiten soll, ins Rollen und greift dabei auch auf illegale Mittel zurück - Mittel, die sie schon bald ins Auge des Gesetzes rücken...

Das klingt recht spannend, wenn auch nicht gerade neu und dank der starken Besetzung und des positiven Tonus des allgemeinen Kritiker-Konsens erwartete ich einen packenden Polit-Thriller, wortgewandt und clever. Das habe ich im Grunde auch bekommen, nur leider lang nicht so spannend und aufregend, wie ich das gern gehabt hätte. Was anfangs dank einiger nicht unbedingt intensiver, dafür aber gewitzt und flott geschriebener Dialogsalven noch den Eindruck eines permanent in Bewegung findenden Thrillers macht, verfällt irgendwann in eine gewisse Lethargie. Das Tempo bleibt im Grunde über 132 Minuten angenehm hoch, trotzdem hat man den Eindruck, dass sich die handelnden Charaktere über den Großteil der Laufzeit eher wachend und abschätzend umkreisen als wirklich zum Angriff überzugehen. 
Das hat dann schon einige Längen zur Folge und trotz des spannenden Grundplots um Sloanes juristische Vergehen, welcher das zentrale Element der Handlung bietet, hat man das Gefühl, dass die Story lange nicht wirklich aus dem Quark kommt. In bester "House of Cards"-Manier werden Wählerstimmen hin- und hergeschoben, es wird manipuliert, mit harten und teils auch unfairen Bandagen gekämpft und wortgewandt Figuren ent- oder belastet... es tut sich im Gesamtkonzept aber nie wirklich viel. Erst gegen Ende scheinen einzelne Taten der Charaktere wirklich an Bedeutung zu gewinnen, hier weiß das Finale aber auch nicht wirklich zu überzeugen - es ist vorhersehbar, lässt die Katze viel zu früh aus dem Sack und bekommt keinen wirklichen emotionalen Knackpunkt. 
Der Zuschauer bleibt gefühlsmäßig doch eher auf Abstand, was aufgrund der doch absichtlich unsympathisch gezeichneten Hauptfigur vielleicht auch so gewollt ist. Der Zuschauer soll möglichst staunen aufgrund der doch recht heftigen Art Sloanes, mit Freunden und Feinden umzugehen, im Vergleich zu ähnlich gearteten Film"helden" wie Frank Underwood aus "House of Cards" oder Jesse Eisenbergs grandiosem Mark-Zuckerberg-Portrait in "The Social Network" bleibt Sloane aber doch eher weich. Sie hat sicherlich einen an der Klatsche, ist auf sozialer Ebene verhärtet, was aber eher dazu führt, dass man sie einfach nicht mag und nicht wirklich über sie staunt. Diskussionen über ihre Person sind hinfällig, sie ist nicht so grau gezeichnet wie ähnliche Figuren der Filmgeschichte, was "Die Erfindung der Wahrheit" zu einem recht klaren und gradlinigen, aber eben auch weitaus bekömmlicheren Film macht, als er wahrscheinlich sein wollte. 
"The Tree of Life"-Star Jessica Chastain ist dabei in der Hauptrolle erwartungsgemäß großartig, wohingegen ihre versierten Kollegen weniger zu tun haben. Besonders für Mark Strong ist das schade, der zwar Akzente setzt, vom Drehbuch aber deutlich aufs Abstellgleis verfrachtet wird und auch Alison Pill hat viel zu wenig wirklich markante Szenen. Immerhin sorgt "Cliffhanger"-Star John Lithgow noch für ein wenig hintergründige Bosartigkeit, doch auch sein Plot fällt dann leider eher in die Kategorie lauwarm. Inszenatorisch ist das alles sicherlich solide und die Handlung fällt niemals langsam oder gar langweilig aus, es haut aber auch nie ganz vom Hocker und ist somit wesentlich weniger, als man eingangs erwarten durfte.

Fazit: Ein Polit-Thriller, der aufwecken und schockieren will, angesichts seiner stockenden Handlung aber nichts von beidem erreicht. Elizabeth Sloane ist eine wesentlich geradlinigere Figur als zu erwarten war, immerhin sorgen die stark geschriebenen Dialogsalven und eine perfekt besetzte Jessica Chastain aber noch für einige Lichtblicke.

Note: 3-




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid