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Wenn die Gondeln Trauer tragen

Gerade was Horrorfilme angeht, so altern Klassiker gerne schlecht. Das muss nicht heißen, dass es dadurch auch wirklich schlechte Filme sind, doch kaum etwas entwickelt sich so rasch wie das Horror-Genre. Auch wenn heutzutage gerne auf bestehende Elemente gesetzt wird, gerade auf visueller und soundtechnischer Ebene kann man den Schrecken immer ein wenig heftiger inszenieren... und Filme wie "Halloween" wirken dagegen heute doch arg überholt. Natürlich gibt es auch Gegenbeispiele wie "Der weiße Hai" oder "Der Exorzist", die auch heute extrem zu ängstigen wissen, doch es ist nicht unbedingt eine Garantie. Und "Wenn die Gondeln Trauer tragen", den ich nun endlich zum ersten Mal gesehen habe, zählt leider nicht zu letzterer Kategorie.

WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN


John Baxter (Donald Sutherland) lebt mit seiner Frau Laura (Julie Christie) in Venedig. Beide versuchen noch immer, den Unfalltod ihrer kleinen Tochter zu verkraften, die eines Tages im heimischen Teich ertrank. Während John das Thema totschweigt, sucht Laura Hilfe bei zwei älteren, religiösen Damen, die glauben, dass ihre Tochter noch immer bei ihnen ist - sie sagen sogar aus, dass sie sie sehen würden. Laura sucht die Damen noch häufiger auf, während sich John klar dagegen ausspricht... und auch die Warnung überhört, dass er in großer Gefahr sei, solange er in Venedig verweile.

Ich fühle mich immer ein wenig schlecht, wenn ich beliebte Klassiker, die Großes zur Filmgeschichte beitrugen, negativ bewerten muss, doch was soll ich tun? Ich kann und sollte meine Meinung nicht verschleiern, ganz gleich, um welche Werke es geht und werde deswegen ehrlich sein. Das tue ich auch hier und muss sagen, dass mir "Wenn die Gondeln Trauer tragen" nicht gefallen hat. Dies hat verschiedene Gründe: Zum einen empfand ich es als schwierig, dass der Film sich nicht auf ein Genre festsetzen lassen will und daher verschiedene Themen anreißt... wovon sich allerdings keines wirklich packend nach vorne spielen kann. 
Der Film nimmt klare Anleihen beim Horror, wird jedoch eher wie ein Grusel-Thriller erzählt, entschwindet auch gerne ins Drama und religiöse Metaphern. Dies alles führt nie zu einem wirklichen, runden Ganzen und ist zudem auch noch so langsam und behäbig erzählt, dass ich mich (und ich schäme mich tatsächlich ein wenig, dies so rüde auszusprechen) schnell gelangweilt habe. Normalerweise bin ich ein großer Fürsprecher der langsamen Erzählweise, dennoch muss es einen Grund dafür geben und der Film muss dennoch gut gefüllt sein, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Regisseur Nicolas Roeg nimmt sich jedoch deutlich zu viel Zeit für eine Geschichte, die im Kern eben nicht sonderlich dickhäutig ist, sondern sich letztendlich eben doch nur auf einem Statement ausruht. 
In Einzelszenen fängt er dieses gut ein, sorgt für ein latentes Gefühl der Bedrohung und der Verwirrung, doch dann nimmt er stets wieder den Fuß vom Gas und enttäuscht schließlich mit einem lauen Finale und einer ebenso mauen Auflösung. Das ist sicherlich sehr gut gefilmt und die Bilder von Venedig tragen sicherlich einen großen Teil zur größtenteils gelungenen Atmosphäre bei, aber eine enorme Tiefe konnte ich dahinter nicht erkennen. Die Charaktere sind mehrdimensional und interessant gezeichnet, die Konflikte, die sie auszutragen haben, geraten aber erstaunlich oberflächlich. Da hilft es wenig, dass der Film damals für Skandale sorgte, indem er Nacktheit präsentierte, die auch aus heutiger Sicht noch recht viel Raum einnimmt. 
Die intimen Szenen zwischen der grandiosen Julie Christie und dem guten, hier aber fehlbesetzt wirkenden Donald Sutherland helfen jedoch auch nicht dabei, die Beziehung zwischen den Hauptfiguren zu festigen. Sie sollen sicherlich ein wenig entfernt wirken, doch hier habe ich nicht einmal verstanden, wieso die Ehe noch funktioniert - die Stimmungen der Protagonisten scheinen im Minutentakt zu wechseln, wobei sich hohe Freude deutlich mit intensiver Trauer und schrecklicher Angst beißt. Nein, das entwickelt einfach keinen runden Lauf und hat mich daher weder gefesselt noch in irgendeiner Form bewegt. Zu Gute halten muss man dem Werk hingegen eine fabelhafte Ausstattung, eine sehr solide Kameraarbeit und einen konstant schnellen Schnitt, der besonders in den wenigen Actionszenen für Fahrt sorgt. Den Film retten tun diese technischen Kategorien jedoch mitnichten, sodass ich ihn als einen Klassiker in Erinnerung halten werde, der vielen guten Rechts gefällt... mir jedoch kaum zugesagt hat.
Fazit: Müder Grusel-Thriller mit zähem Erzählmuster, welcher seine im Kern doch recht simpel gestrickte Geschichte über mehrere Ecken streckt. Das hat in guten Momenten eine starke Atmosphäre, dennoch fehlt es dem Werk an Fahrt und Dringlichkeit.

Note: 4




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