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Snow Cake

Die meisten kennen den vor gut zwei Jahren plötzlich verstorbenen Charakterdarsteller Alan Rickman insbesondere durch seine Paraderollen in einigen der größten Blockbuster. Als Antagonist Hans Gruber im klassischen, ersten Teil der "Stirb langsam"-Reihe, als fieser Sheriff in "Robin Hood" und natürlich als undurchsichtiger Zaubertranklehrer Severus Snape in allen acht Filmen der brillanten "Harry Potter"-Reihe. Dass er darüber hinaus jedoch nicht nur in finsteren Rollen glänzen konnte, hatte er zuvor schon mehrere Male bewiesen und tat dies auch 2006 in "Snow Cake", einem sensiblen Drama mit drei Top-Stars in den Hauptrollen, dem es trotz viel Herz und Gefühl aber leider an echter Kraft fehlt...

SNOW CAKE


Alex (Alan Rickman) wurde gerade aus dem Gefängnis entlassen und hat eigentlich gar keine Lust, die junge Anhalterin Vivienne (Emily Hampshire) mitzunehmen. Er tut es dennoch und besiegelt damit ihr Schicksal - bei einem schweren Autounfall kommt das Mädchen ums Leben, während Alex verletzt überlebt. Das Gefühl der Schuld erdrückt ihn förmlich, weswegen er sich dazu entschließt, Viviennes Mutter aufzusuchen, um ihr sein Mitgefühl auszusprechen. Linda (Sigourney Weaver) jedoch ist Autistin, weswegen das Gespräch anders läuft als erwartet und Alex sogar über Nacht bleibt, um der Frau bei ihren Problemen zu helfen. Aus einer Nacht werden schließlich mehrere Tage...

Über weiteste Strecken läuft "Snow Cake" als das Treffen zweier Schauspielgiganten ab, wenn man so möchte... ein Treffen, wobei sich die schauspielerische Qualität dann aber leider doch recht eindeutig unterscheidet. "Tatsächlich Liebe"-Star Alan Rickman ist als gebeutelter und furchtbar einsamer Engländer Alex, der im Grunde einen Schutzwall um seiner Person gezogen hat, der in Anwesenheit der autistischen Linda nun jedoch langsam aber sicher bröckelt, erwartungsgemäß grandios. Obwohl er sich immer weiter öffnet, Gefühle zulässt, sogar Verantwortung übernimmt, bleibt seine typische, englische Reserviertheit stets da und sorgt somit auch für einige herrliche, komödiantische Untertöne. Rickman bleibt nuanciert und glaubwürdig und bereits in der ersten Szene kleben wir förmlich an ihm - obwohl er dort nur einem Cafe sitzt und ein Buch liest. 
Ihm gegenüber steht Sigourney Weaver, die wohl die größte Herausforderung auf ihren Schultern gelastet hatte und eine Autistin spielen muss. Das Drehbuch spielt ihr dabei mit charmanten Szenen in die Karten: Wenn die geistig etwas umnachtete, aber dennoch niemals dumme oder verwirrte Linda lieber auf ihrem Trampolin herumhopsen möchte als um ihre verstorbene Tochter zu trauern, dann hat das zugleich eine Leichtigkeit als auch eine skurille Schönheit, die Weaver hervorragend transportiert. Dies gelingt ihr jedoch nicht immer und obwohl sie nie in die große Gefahr hineinrutscht, bei der Verkörperung einer psychischen Krankheit ins Overacting zu geraten, wirkt sie nicht immer glaubwürdig. Nicht jede Geste sitzt, manchmal wirkt es ein wenig überzogen, weniger wäre ab und an mehr gewesen. Das ist Jammern auf hohem Niveau, wenn man bedenkt dass der "Alien"-Star hier klar das Podest der größten, schauspielerischen Herausforderungen überhaupt betreten hat... dass sie aber eben nicht immer überzeugt, lässt sich auch nicht abstreiten. 
Da Weaver und Rickman im Fokus stehen, haben weitere Nebenfiguren doch etwas weniger zu melden - hauptsächlich wird dadurch "Matrix"-Star Carrie-Anne Moss geschädigt, die in einer aber auch recht dürftig geschriebenen Romanze mit Alan Rickmans Charakter anbandeln darf, was auch in den besten Momenten doch etwas gewollt und überstrapaziert wirkt. Die Funken zwischen Moss und Rickman wollen nicht wirklich fliegen und generell nimmt diese Liebesgeschichte, die dem wahren Plot hier nur wenig bringt, doch viel Tempo raus. 
Tempo ist aber sowieso nicht der Sinn dieses Films - die Geschichte wird betulich langsam erzählt, lässt sich Zeit, damit die Charaktere sich einander annähern können. Dies ist genau richtig getimt und trotz einiger Längen bekommen wir einen signifikanten Eindruck der Gefühlswelt der beiden Hauptcharaktere. Dennoch konnten die Macher nicht darauf verzichten, sich einiger uneinheitlicher Klischees zu bedienen, wodurch das Werk besonders in der zweiten Hälfte doch etwas zu zuckrig und naiv gerät: Zwei einsame Menschen retten sich gegenseitig. Natürlich ist das eine sehr, sehr schöne Botschaft, die hier ebenso schön wie unspektakulär erzählt wird, aber der letzte Kick fehlt angesichts diverser Kitschmomente. Dass Regisseur Marc Evans dabei auch die inszenatorischen Zügel eher lockerlässt und den etwas blassen Bildern keine großartige Wirkung entlockt, ist angesichts eines solchen Werkes nicht allzu schlimm, sorgt aber auch dafür, dass die Kraft der Bilder mit dem wichtigen und aufwühlenden Thema niemals wirklich Schritt halten kann.

Fazit: Rickman spielt grandios, Weaver umgeht nicht alle Stolperfallen, zieht sich aber dennoch sehr achtsam aus der Affäre. Trotz einer schönen Geschichte fallen jedoch mehrere Klischees umso deutlicher auf und auch inszenatorisch hätte die Handlung weitaus mehr hergegeben.

Note: 3-






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