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The Circle

Was hält die Zukunft für unsere Menschheit bereit? Im Grunde haben wir im Kino schon die schrecklichsten Zukunftsdystopien gesehen: Zombie-Apokalypsen, verheerende Naturkatastrophen, tödliche Viren oder gar ein alles auslöschender Meteoriteneinschlag waren zu sehen - in "Terminator" konfrontierte man uns zudem mit der Kontrolle intelligenter Maschinen, was aus heutiger Sicht vielleicht sogar die naheliegendste Entwicklung ist, in welche wir uns derzeit bewegen. Seit geraumer Zeit steht jedoch auch der technische Fortschritt in Bezug auf Überwachung, Internet und Social Media an vorderster Front und den neuesten Kinobeitrag zu diesem Thema liefert uns "The Circle" - natürlich beruhend auf einer beliebten Romanvorlage, selbstverständlich unterstützt von einer beachtlichen Starbesetzung.

THE CIRCLE


Die junge Mae Holland (Emma Watson) erhält einen Job als Kundenberater beim "Circle", einem gigantischen, auf Social-Media-Präsenz und absolute Transparenz ausgelegten Konzern, welcher die Welt verändern möchte. Mae steigt in der Beachtung ihrer Kollegen auf dem Campus rasch auf und wird zu einer ebenso bekannten wie beliebten Person. Langsam dringt sie dabei auch in das Netzwerk des "Circle" vor und beginnt damit, ihn zu verändern und auf Vordermann zu bringen. Dabei kommen auch die moralisch fragwürdigen Pläne des Vorsitzenden Bailey (Tom Hanks) ans Tageslicht und Mae wird in einen Strudel aus Überwachung und verheerenden, zwingenden Zukunftsplänen hineingezogen...

Das Thema ist noch immer ein sehr Brisantes und Wichtiges - vielleicht brisanter und wichtiger als jemals zuvor. In Zeiten von Facebook, in Zeiten einer enormen Überwachung, wie können wir dabei noch die Kontrolle darüber haben, wer welche persönlichen Details von uns erfährt und wer nicht? Und wollen wir diese Kontrolle überhaupt oder ist es einfach okay, unser Leben mit Freunden und Fremden gleichermaßen zu teilen? Der Film greift alle diese Fragen auf und beschäftigt sich mit ihnen, liefert aber keinerlei zufriedenstellende Antworten. 
Statt sich der Thematik mit Bedacht, Gefühl und Ruhe zu widmen, schlägt Regisseur James Ponsoldt unvermittelt mit dem Holzhammer zu und verbringt die 109 Minuten damit, dem Zuschauer aufzuzeigen, wie weit es mit diesem Social-Media- und Überwachungswahn womöglich irgendwann gehen könnte... ohne dabei jedoch eine greifbare Handlung zu vermitteln. Er lässt die Charaktere, darunter auch die vollkommen unreflektierte und all diese gruseligen Neuheiten simpel abnickende Mae, einfach kaum auf die erschütternden Ideen des Films reagieren, gibt uns keinen Eintritt zu ihren Gefühlen und Zweifeln... nein, er lässt sie nicht einmal zweifeln. Natürlich könnte dieses dummdreiste Applaudieren, sobald eine neue technische Errungenschaft auf den Markt kommt, die unser Privatleben noch ein wenig weiter verkleinert, auch als Spiegel für die derzeitige Gesellschaft gesehen werden, dennoch fehlt es hier an nachvollziehbarer Logik. 
Dass sich Mae zum Beispiel recht früh dazu entscheidet, per Kamera jeden einzelnen Schritt ihres Privatlebens aufzuzeichnen ("Es gibt nichts, was ihr nicht von mir sehen werdet") kommt wie aus dem Nichts und wieso sie das tut, bleibt ein Geheimnis. Sie tut es eben einfach, erntet dafür Applaus und Bewunderung und gibt dafür ihr Leben auf. Mae handelt über weite Strecken vollkommen unnachvollziehbar und störrisch und die Entwicklung hin zur über alles geliebten Social-Media-Königin verläuft so rasant, dass man ihr nie wirklich Glauben schenken mag. Dass Mae all dies einfach akzeptiert (und mit ihr Millionen Menschen auf der ganzen Welt offensichtlich ebenfalls), das wirkt schon ziemlich suspekt und wird nie genau erklärt, vielleicht weil man uns diese neue, großartige Welt auch einfach vor die Füße wirft. Die großen Chefs auf der Bühne sagen "Springt", die Jugendlichen am Bühnenrand fragen "Wie hoch?" - viel tiefer wird es leider nicht. 
Bis zum plötzlichen Ende, welches den Spieß umdrehen soll, dabei aber etliche Fragen offenlässt und das ohnehin wacklige Kartenhaus mit einem Schwung zum Einsturz bringt, der sich schon lange vorher abzeichnete (wieso kam denn vorher niemand auf diese Idee?), fühlt man sich dabei immer ein wenig verloren in einer Welt, in der der Mensch offenbar nichts mehr zu sagen hat. "Harry Potter"-Star Emma Watson kann Hauptfigur Mae dabei wenig Gewicht verleihen, schlägt sich aber immerhin grundsolide. Tom Hanks agiert als offenbar gutmütiger Vater des Circles mit enormer Präsenz, hält sich dabei jedoch auch angenehm zurück - in gemeinsamen Szenen glänzt neben ihm aber auch "Agents of Shield"-Star Patton Oswalt in einer ganz und gar unkomödiantischen Rolle. "Star Wars"-Held John Boyega hat dagegen jedoch weniger zu tun und auch Bill Paxtons letzte Kinorolle (der Schauspieler verstarb zu Beginn diesen Jahres) ist nicht mehr als ein kleiner Spielball in einer ansonsten doch eher lauen Geschichte.
Fazit: Trotz der gut aufspielenden Stars und der enorm interessanten Ansätze gelingt es dem Film nicht, sein wichtiges Thema greifbar zu machen. Er stellt kaum Fragen, lässt seine Charaktere unreflektiert und stumm nickend agieren, um gleichsam dem Zuschauer mit dem Holzhammer seine Thematik einzuklopfen.

Note: 4+




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