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mother!

Diese Woche starten gleich zwei Filme von renommierten Regisseuren im Kino, die bei Fans durchaus sehr beliebt sind. Das neueste Werk von "Ocean's Eleven"-Regisseur Steven Soderbergh, "Logan Lucky", werde ich morgen unter die Lupe nehmen, heute gibt es zuerst die Kritik zu "mother!", dem neuesten Streifen von Darren Aronofsky. Dieser lieferte mit "Requiem for a Dream", "The Wrestler" und "Black Swan" absolute Meisterwerke ab, die jedoch nicht gänzlich unumstritten sind und die Psyche des Zuschauers in Anspruch nehmen... sicherlich nicht für jeden das geeignete, bekömmliche Filmfutter. Mit "mother!" wollte Aronofsky dann aber noch einmal ganz hoch hinaus und sich auf eine neue Ebene wagen - das Ergebnis war ein verwirrtes Publikum in Cannes, begeisterter Jubel mischte sich mit Buhrufen. Nun läuft der starbesetzte Film auch endlich in Deutschland und ich konnte mich selbst davon überzeugen, ob ich "mother!" hassen oder lieben möchte - denn etwas anderes schien kaum möglich.

MOTHER!


Ein Schriftsteller (Javier Bardem) lebt gemeinsam mit seiner jüngeren Frau (Jennifer Lawrence) in einem eigenen Haus. Eines Tages taucht ein älterer Herr (Ed Harris) auf, welcher das Haus für ein Motel hielt und von dem Schriftsteller zur Übernachtung eingeladen wird... dem Einwand seiner Frau, dass der Mann ein Fremder sei, geht er nicht nach. Als am nächsten Tag auch noch die Ehefrau des Seniors (Michelle Pfeiffer) vor der Tür steht und sich ebenfalls im Haus einquartiert, gerät die Situation zunehmend außer Kontrolle. Die junge Frau verliert die Übersicht über die Lage und wähnt sich in einem sich immer weiter zuspitzenden Alptraum...

Bei der Vorstellung für "mother!" durfte ich erneut Zeuge davon sein, wie irritiert manche Zuschauer reagieren, wenn sie sich nicht über den Film informieren, den sie sich ansehen wollen. Filmkenner erwarten von einen Mann wie Darren Aronofsky sicherlich etwas fürs Hirn und sicherlich ebenfalls etwas, was uns ständig den Boden unter den Füßen wegzieht... angelockt wurde durch den recht flott geschnippelten Trailer aber natürlich auch das popcornmampfende Publikum, welches sich auf einen neuen Film der Marke "House-Terror-Horror" gefreut hatte. All diese dürften dann schon ziemlich verdutzt aus der Wäsche gucken, denn auch wenn man "mother!" nicht gänzlich aus dem Horror-Genre entfernen möchte - ein standardisierter Schocker ist er selbstverständlich nie. Stattdessen liefert Aronofksy hier erneut einen absolut unkonventionellen Film ab, der das Publikum spalten wird und genau dies auch soll... mit enormem Erfolg. Vielleicht wollte er diesmal einfach redlich durchknallen, einfach mal auf alles scheißen und vollkommen aus der Bahn rudern - herausgekommen ist dabei so etwas wie Aronofskys "2001", eine Bilderflut sondergleichen, die uns schockiert in den Sessel drückt und mehrmals schlucken lässt. 
In der ersten Hälfte lässt er den Schrecken jedoch nur langsam einfallen und klammert sich dabei vehement an Jennifer Lawrence, aus deren Perspektive wir die Geschichte verfolgen. Dabei werden uns einige Brotkrumen mit auf den Weg gegeben und schon früh wird klar, dass wir uns in keiner bekannten Realität befinden, dass das normale Denken außer Kraft gesetzt wird. Das Haus steht ganz alleine auf einer weiten Wiese, dennoch strömen schon bald etliche Gäste hinzu - das Gebäude lebt zudem durch eine Art eigenen Herzschlag. Nein, wirklich normal geht es hier niemals zu, auch wenn Aronofksy zutiefst menschliche Geschichten zu erzählen hat, besonders die einer Frau, die mit einem Künstler verheiratet ist und somit Einbußen machen muss. 
Aronofksy pfercht die Rolle der Frau auf recht chauvinistische Art zusammen, macht sie aber trotzdem zur Heldin seiner Geschichte und gesteht ihr so ihre eigenen Gefühle und Blickwinkel zu, die uns letztendlich mitreißen und -fiebern lassen. Es tut weh zu sehen, wie die junge Frau (Jennifer Lawrence auf dem Weg zur nächsten Oscarnominierung und mit solcher Ausdruckskraft, dass sie schier die Leinwand auffrisst) von den Mitmenschen so sehr übergangen wird und auch wenn Aronofksy diesen Plot wesentlich subtiler hätte erzählen können, verfehlt er dennoch nicht sein Ziel.
 Sobald die Lage außer Kontrolle gerät, schießt der Regisseur mit schier unbändigen Mitteln, wird laut und wild, zerfetzt den Plot und knallt dem Zuschauer mit dem Holzhammer vor, was er hier zu erzählen hat. Dies wird sicherlich nicht jedem schmecken und auch ich tat mir mit manch einer überreligiösen Metapher ("Noah", sein letztes, zwiespältig aufgenommenes Werk, lässt gleich mehrfach grüßen) doch ziemlich schwer, da er sich gegen Ende in einem vollkommen surrealen und grausamen Mega-Showdown doch das ein ums andere Mal verhebt, sich ein wenig zu sehr in visueller Brillanz und brutalem Schrecken suhlt. Das wirkt etwas überheblich, gar etwas selbstverliebt... man muss Aronofksy jedoch zugestehen, dass er all dies so kraftvoll und mit solch eklatanter Wucht inszeniert, dass man nicht anders kann, als zugleich angewidert und fasziniert vom Geschehen auf der Leinwand zu sein.
Fazit: "mother!" lebt sowohl von der fantastischen Jennifer Lawrence als emotional zerschlissener Bindepunkt der Geschichte als auch von Darren Aronofskys gewaltiger Inzenierung - brutal, laut und vollkommen irre. Das ist nicht für jeden Geschmack etwas, aber es verfehlt definitiv seine einnehmende Wirkung nicht.

Note: 2-






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