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Fantasia

Irgendwie ist es doch ein wenig seltsam, nicht? Mit "Schneewittchen und die sieben Zwerge" feierte Walt Disney einen wahnsinnigen Publikumserfolg und erschuf schlichtweg ein neues Kino-Genre, "Pinocchio" erwies sich anschließend als ähnlich rentabal und zeigte auch, dass Disney ein toller Geschichtenerzähler ist, der Storys für Groß und Klein erzählen konnte. Warum er so risikofreudig wurde und 1940 bereits mit dem dritten abendfüllenden Film von diesem Muster abwich und mit "Fantasia" ein filmgewordenes Konzert ohne Handlung erschuf, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Denn damit wäre Disney beinahe böse eingeknickt...

FANTASIA


Ein Orchester heißt das Publikum willkommen. Der Musikkritiker Deems Taylor heißt uns zu einem Konzertabend willkommen. In diesem sollen die Zuhörer jedoch nicht nur der Musik lauschen, sondern auch den Zeichnungen  zusehen. Diese verbinden sich mit den klassischen Musiktönen und erschaffen Bilder. Und in diesen werden wir mitgenommen in Geschichten vergangener Zeit, geleitet von Disneys Figuren... und natürlich Micky als Zauberlehrling.

Eigentlich plante Disney damals bloß den mittlerweile zum Kult aufgestiegenen Kurzfilm über Micky als Zauberlehrling, wollte er seine Zeichentrick-Maus doch endlich mal wieder in einem erfolgreichen Cartoon zurückbringen. Schließlich wurde, auch um zu ermöglichen, die hohen Kosten wieder einspielen zu können, ein abendfüllender Spielfilm daraus... doch keiner, welcher den anderen des Disney-Studios gleicht. Hier wird uns nämlich keine wirkliche Geschichte präsentiert, sondern eine Sammlung von stummen Kurzfilmen, die mit klassischer Musik unterlegt sind und einer nach dem anderen anmoderiert werden. Wie ein Konzert eben, nur mit wirklichen Bildern und nicht "nur" mit einer Gruppe von talentierten Musikern auf einer Bühne. 
Ob einem dieses Kunststück gefällt, hängt ganz stark davon ab, was man von einem Werk des Mediums Film überhaupt erwartet. Dem Publikum gefiels damals tatsächlich weniger und Disney brauchte weit mehr als zwanzig Jahre und etliche Wiedervorstellungen, um mit "Fantasia" auch nur annähernd so etwas wie einen Gewinn zu erzielen, zuvor trieb ihn die Produktion des Filmes und der anschließende geringe Erfolg nämlich beinahe in den Ruin. Anschließend widmete sich Disney zum Glück wieder seinen wesentlich unterhaltsameren, "normalen" Zeichentrickfilmen, was für die Zuschauer dann doch der größere Spaß ist. 
"Fantasia" ist letztendlich nämlich eben doch nur eine Aneinanderreihung von mal tanzenden, mal kämpfenden und mal zaubernden Tieren, die in keiner Handlung verbunden sind. Das ist durch die Musik sehr schön untermalt und auch wirklich hübsch gezeichnet (wobei dank vieler sehr düsterer und brutaler Szenen dieser Film eher nicht für kleinere Kinder geeignet ist), aber es verliert eben schon früh an Reiz, da man uns schon früh nichts Neues mehr bieten kann. Natürlich stehen da als einsame Highlights der klassische Kurzfilm mit Micky und Yen Sid, in welcher ersterer versehentlich eine Schar Besen verhext und beinahe den ganzen Zauberturm überflutet; der brutale Kampf zwischen zweier Dinosaurier; und natürlich zuletzt der große Aufstand des finsteren Wesens Chernobog... gerade letzterer dürfte "Kingdom Hearts"-Veteranen als düsterer Endgegner in den grandiosen Videospielen bekannt sein. 
Da es jedoch nichts gibt, was diesen Wust aus Farben und Kreaturen irgendwie zusammenhält, blieb das filmische Vergnügen für mich sehr schnell auf der Strecke. Möchte ich mich klassischer Musik hingeben, lege ich eine CD ein oder gehe in ein Konzert, "Fantasia" ist für mich allerdings kein Film. Dass dieses Experiment schließlich auch noch über zwei Stunden lang läuft und es an Humor und Gewitztheit schmerzlich vermissen lässt, dabei durchgehend trocken und ungemein überernst wirkt, setzt dem Ganzen die Krone auf. Für manche ist es daher sicherlich Disneys größter (und sicherlich auch riskantester) Klassiker, für mich jedoch ist es kein Film. Ich habe leider keinen Spaß gehabt.
Fazit: Wer von "Fantasia" keinen Film erwartet, der dürfte vielleicht seine Freude an diesem Kunstwerk haben. Ich jedoch habe mich über weiteste Strecken nur gelangweilt und schaue mir lieber richtige Filme an.

Note: 4-





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