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Atomic Blonde

Das Kinojahr 2017 scheint ganz im Zeichen der Powerfrauen zu stehen. Im Juni bewies Gal Gadot, dass sich Superheldenfilme auch gut verkaufen, wenn eine Frau die Hauptrolle spielt - ihre "Wonder Woman" tritt zudem auch im November in der "Justice League" wieder auf. Der neueste Teil der "Alien"-Reihe im Mai schickte Katherine Waterston in den Kampf gegen das gefährliche Ungetüm und als besonderes Schmankerl durften sich die Rennfahrer aus "Fast & Furious" im April endlich mit ihrer ersten, richtigen Gegenspielerin herumschlagen. Diese wurde von Charlize Theron gespielt, die nun auch eine weitere Hauptrolle als toughe Agentin spielen darf... und dabei in Sachen Action richtig auf die Kacke haut.

ATOMIC BLONDE


1989, Berlin: Die Mauer steht kurz vor ihrem Fall. Um einen Doppelagenten zu enttarnen, der eine wichtige Liste mit allen Agenten des MI6 gestohlen hat, schickt der Leiter der Organisation, Eric Grey (Toby Jones) seine beste Agentin, Lorraine Broughton (Charlize Theron) in die deutsche Stadt. Dort soll sie gemeinsam mit ihrem Kontakt David Percival (James McAvoy) die Spur der Liste aufnehmen und die Verräter dingfest machen. Lorraine jedoch traut erst einmal niemandem und es dauert nicht lange, bis sie ins Kreuzfeuer der gegnerischen Seite gerät...

Regisseur David Leitch ist es gelungen, optisch einen sehr hübschen Action-Thriller abzuliefern. Der Handlungsort Berlin wird in triste, kühle Farben verpackt... zumindest solange keine Innenräume betreten werden. Sobald es Lorraine und ihre Mitstreiter und Gegenspieler in Bars, Hotelzimmer oder Appartements verschlägt, ändert sich der optische Stil: Verwaschene Farben, blinkende Lichter, ein dunkelblauer Ton. Das sieht hervorragend aus und nebenbei nutzt Leitch diese Stilmittel zwischendurch für grandiose Bilder, beispielsweise wenn Lorraine ein Bad in Eiswürfeln nimmt und die Kamera ihr dabei bis ins Wasser hineinfolgt. 
Auch die Actionszenen hat Leitch sehr gut im Griff. Er macht es sich nicht so einfach wie viele andere Action-Regisseure dieses Jahrtausends und schneidet wild herum, bis der Zuschauer nichts mehr erkennt, nein. Er vertraut auf die entwickelten Choreographien und lässt die faustgewaltigen und ziemlich brutalen Szenen einfach durchlaufen, wobei die Kamera "The Revenant"-mäßig durch die Schlägerei saust und sich dabei auch einmal traut, gar keinen erkennbaren Schnitt zu setzen. Das Ergebnis sind sehr raue und beeindruckende Schlägereien und Schießereien, wobei eine lange Szene in einem Treppenhaus während des letzten Drittels das klare Highlight darstellt. Hier inszeniert Leitch eine Schlägerei zwischen Lorraine und mehreren Feinden so intensiv und hart, dass einem glatt die Kinnlade herunterhängt - dynamisch, flott, heftig und sehr, sehr realistisch, so muss gute Action heutzutage aussehen. Man kann bereits jetzt davon ausgehen, dass ihm damit eine der beeindruckendsten Actionszenen des noch lange nicht ausgeklungenen Kinojahres gelungen ist, die vielleicht sogar das Zeug zu einem modernen Klassiker hat. 
Natürlich muss man dabei auch genügend Lob an die herausragende Kamera, die Stuntmen und Hauptdarstellerin Charlize Theron verteilen, die sich wohl noch nie so herausragend in den Ring geworfen hat. Nachdem sie mit "Mad Max: Fury Road" zu einer der Actionheldinnen dieser Dekade aufgestiegen ist, beweist sie auch hier erneut mit viel Charme, Ausstrahlung und enormer physischer Präsenz, dass mit ihr nicht zu spaßen ist. Leider gibt ihr das Drehbuch darüber hinaus weniger zu tun, was ziemlich schade ist. Theron gibt zwar immer wieder interessante Andeutungen zum eigentlichen Geisteszustand ihrer Figur, wirklich viel erfahren wir über den Antrieb und das Leben dieser Agentin aber nicht, weswegen sie uns relativ fernbleibt. 
Noch schlimmer hat es dabei jedoch die blassen Nebenfiguren erwischt, die allesamt sträflich ungenutzt und flach bleiben. James McAvoy als undurchsichtiger Partner Lorraines wird auf seine verrückte Ader reduziert, während "Die Mumie"-Star Sofia Boutella als Agentin ebenfalls nicht wirklich glaubwürdig wirkt... dass beide zu den Besten ihres Jobs gehören sollen, lässt sich aufgrund ihres Verhaltens nie wirklich nachvollziehen. Neben einem soliden John Goodman fällt auch Til Schweiger auf, der in einer kleinen Rolle als mysteriöser Uhrmacher doch eher fehlbesetzt wirkt. Dies liegt jedoch nicht am begrenzten Talent des deutschen Schauspielers, sondern eben doch daran, dass er als gutaussehender Charmebolzen eben einfach nicht in diesen Part hineinpasst. Diese eher lasch gezeichneten Charaktere bewegen sich schließlich durch eine recht vorhersehbare Spionage-Story, die mit Klischees spielt, diese aber niemals bricht. Etwas wirklich Neues hat "Atomic Blonde" nicht zu erzählen, stürzt sich in Wendungen, die man entweder bereits lange zuvor kommen sieht oder die leider keinen richtigen Sinn ergeben und lässt es zudem in der ersten Hälfte, wenn ausführlich die einzelnen Hintergründe der mysteriösen Hintermänner enthüllt werden wollen, doch deutlich an Schwung vermissen.
Fazit: "Atomic Blonde" wartet mit einigen herausragend inszenierten Actionszenen und einer starken Hauptdarstellerin auf, die den Film klar beherrscht und ihn zu einem unterhaltsamen Thriller macht. In Sachen Charakterentwicklung und besonders im Bereich der doch eher lauen Geschichte wäre aber mehr möglich gewesen.

Note: 3






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