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Der Glöckner von Notre Dame (1996)

Böse Zungen behaupten, dass die Zeichentrickfilme der Disney-Ära gegen Ende der Neunziger abbauten und die Studios sogar einige Flops verkraften mussten. Manch einer sagt, dass der 1996 erschienene "Der Glöckner von Notre Dame" der Anstoß für diesen Niedergang war... andere, dass der ein Jahr zuvor die Leinwände heimsuchende "Toy Story" das Animations-Genre so stark ins Rollen brachte, dass Zeichentrick bereits ziemlich schnell out war. Wer sich jedoch vor Augen führt, dass Ende der Neunziger mit "Hercules", "Mulan" und "Tarzan" drei enorm erfolgreiche und bis heute meisterhaft beliebte Disney-Zeichentrick-Klassiker in die Kinos kamen, der weiß, dass das ganze Gerede nicht ganz stimmen kann...

DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME


Als Säugling wurde der entstellte Quasimodo seiner Zigeunermutter vor den Toren der Kirche Notre Dame in Paris entrissen... von dem grauenvollen Richter Claude Frollo, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, alle Zigeuner aufzuspüren und zu vernichten. Sein strenger Glaube verbot es ihm jedoch, das Kind zu töten, weshalb er es im Glockenturm versteckt hielt, über viele Jahre hinweg. Quasimodo wächst unter Frollos Fuchtel auf, sehnt sich jedoch nach der Außenwelt. Eines Tages schleicht er sich zum Fest der Narren hinaus und begegnet dort der Zigeunerin Esmeralda, in die er sich sogleich verliebt. Als Frollo jedoch Wind von der Sache bekommt, setzt er alle Hebel in Bewegung, um die beiden zu trennen und Esmeralda zu fangen...

"Der Glöckner von Notre Dame" zählt sicherlich zu den düstersten Werken, die die Disney-Studios je während der Zeichentrick-Ära hervorgebracht haben... was bei der zugrundeliegenden Vorlage auch kein Wunder ist. Natürlich änderten die Macher etliche handlungsweisende Elemente des Romans ab, um trotzdem noch einen funktionierenden Familienfilm entstehen zu lassen, dennoch ist das Werk für Kinder nicht uneingeschränkt empfehlbar, sollte man seinen Jüngsten nicht einige böse Alpträume mit auf dem Weg geben wollen. 
Frollo ist als Bösewicht ebenso grausam wie brutal und generell ist die ganze Handlung nichts für schwache Kindernerven... da wird Jagd auf ganze Menschenmassen gemacht, Häuser werden abgefackelt, während wehrlose Familien noch darin hausen und sogar unzüchtige Gedanken finden (wenn auch abgeschwächt) ihren Weg in die Story. Erwachsene dürften sich da mehrfach verwundert die Augen reiben angesichts dessen, was sich Disney hier in einem abendfüllenden Familienfilm so alles traut, während Kinder dabei weniger mitgehen werden, den Film angesichts der doch sehr finsteren und erwachsenen Handlung glatt als etwas langweilig empfinden dürften. Selbst die unvermeidlichen, tierischen Sidekicks spielen diesmal nur eine untergeordnete Rolle und bekommen weniger Szenen ab als gewohnt, weswegen auch ihr eingespieltes, lustiges Lied unpassend wirkt innerhalb dieser doch sehr düsteren Atmosphäre. 
Natürlich lässt auch der Unterhaltungsfaktor angesichts von so viel Mord, Hass und Boshaftigkeit ein wenig zu wünschen übrig, wobei Disney hier in eine kleine Falle tappt. Da man die Story niemals so komplex und grausam angehen konnte, wie es in der Romanvorlage tatsächlich der Fall ist, gar ganze Figuren und wichtige Handlungselemente absurdum gedreht oder gleich ganz gestrichen wurden, der Film für Kinder aber doch etwas zu heftig daherkommt, setzt man sich zwischen alle Stühle und dürfte keine der Zielgruppen vollständig zufrieden stellen. Jeder nimmt sich zwar sicherlich seine Brotkrumen mit (die Erwachsenen dürfen in einem grandiosen Finale und einer ergreifenden Liebesgeschichte mitfiebern, während Kinder Spaß an den Actionszenen und den sympathischen Nebenfiguren haben werden), aber so richtig rund wirkt dies am Ende dennoch nicht. Hier hat man sich zwar viel getraut... an einigen Ecken jedoch zu wenig, an anderen etwas zu viel, weswegen das richtige Maß nie wirklich gefunden wird. Zwei bzw. drei Jahre später gelang dies "Mulan" und "Tarzan" übrigens auf herausragende Art und Weise. 
Klare Pluspunkte gehen jedoch an die zeichnerische Umsetzung, die auch in der Zusammenarbeit mit netten Computeranimationen tolle Bilder erschaffen, und an den instrumentalen Soundtrack, der eine unglaubliche Wucht entfaltet und 1997 völlig zurecht eine Oscarnominierung für den besten Score erhielt. Die geträllerten Musical-Songs wollen dafür nicht so richtig ins Ohr gehen und werden kaum in Erinnerung bleiben... sieht man von Frollos Lied zur Halbzeit ab, welches Hand in Hand mit der in dieser Szene grandiosen Inszenierung doch noch für Gänsehaut sorgt.
Fazit: Dieser Disney-Film ist für jüngere Zuschauer deutlich zu düster und brutal, während Erwachsene mit der doch eher laschen Handlung zu lange unterfordert werden. Erst spät nimmt der hervorragend gezeichnete Film mit einem starken Finale an Fahrt auf.

Note: 3-




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