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Leon - Der Profi

Ich habe einen ganz seltsamen Hang zu Filmklassikern. Manche, die überall hochgelobt werden und die man als Filmfan eigentlich einfach lieben muss, sagen mir kaum zu... So konnte ich beispielsweise den Stanley-Kubrick-Werken "Shining" und "2001" wenig abgewinnen und auch der Horrorklassiker "Halloween" will mir nicht ganz schmecken. Als ich "Leon" vor vier oder fünf Jahren zum ersten Mal sah, war ich ebenfalls enttäuscht. Nun habe ich den Film erneut gesehen und empfand ihn als wesentlich besser, als ich ihn in Erinnerung habe.

LEON - DER PROFI


Leon (Jean Reno) ist ein Auftragskiller... doch auch er fällt aus allen Wolken, als eines Tages die zwölfjährige Mathilda (Natalie Portman) vor seiner Tür steht und aufgelöst um Einlass bittet. Ihre Familie wurde kurz zuvor von dem korrupten DEA-Agenten Norman Stansfield (Gary Oldman) und seinen Leuten kaltblütig ermordet. Mathilda möchte Rache nehmen und verlangt von Leon, dass er sie zur Killerin ausbildet. Leon sträubt sich erst, doch mit der Zeit bauen beide eine besondere Beziehung zueinander auf...

"Leon" von Action-Regisseur Luc Besson aus dem Jahr 1994 beginnt unglaublich vielversprechend. Mit der recht ausführlichen Einführung der drei handlungstragenden Figuren, dem schrecklichen Mord an Mathildas Familie und der liebevollen Aufnahme des kleinen Mädchens von Leon in sein Haus entsteht eine ganz starke Atmosphäre. Wunderbar geschnitten, grandiose Dialoge, brutale Action, Hochspannung, Dramatik... alles, was ein Film wie dieser eben braucht. Ganz groß auffahren tut der Streifen dann auch besonders, wenn er die sich immer wieder ändernde Beziehung zwischen Leon und Mathilda groß thematisiert. Im längeren Director's Cut baut sich nach und nach gar eine sexuelle Beziehung auf, die verwirrt, aber auch berührt... hier werden die Seelen von zwei vollkommen unterschiedlichen Menschen auf beeindruckende Art und Weise offengelegt. Leon ist nicht nur ein Profikiller, er kann nur halt sehr gut mit Waffen umgehen und ist top in seinem Job. Abgesehen davon hat er jedoch eine Schwäche für Milch, kann nicht lesen und kümmert sich liebevoll um eine Zimmerpflanze. Ein einsamer, aber dennoch emotional nicht abgekühlter Mensch, der erst mit Mathilda das bekommt, was ihm immer gefehlt hat: Ein Mensch an seiner Seite. Mathilda selbst ist ein Kind, welches nie eine Kindheit haben durfte und die gerade deswegen eine gefährliche, verruchte Seite an sich hat. Ständig rauchend und fluchend, aber niemals kühl, versucht sie, ihre pubertären Gefühle in einer Welt voller Gewalt und Hass in den Griff zu bekommen. Zwischen diesen beiden Parteien entstehen einige sehr wuchtige Szenen, die einen immer wieder kalt erwischen und die definitiv nichts für konventionelle Filmliebhaber sind. Das hier geht stellenweise schon weit über das hinaus, was das glatte Blockbuster-Kino heutzutage bietet. Besson sprengt Grenzen und provoziert, und das macht er ganz hervorragend. Hilfreich sind ihm dabei natürlich auch die Hauptdarsteller. Natalie Portman wurde nach dieser Rolle schlagartig berühmt und zählt noch heute zu den begehrtesten und talentiertesten Darstellerinnen Hollywoods. Schon mit diesem Film zeigte sie, was in ihr steckt, ihre Mathilda ist schlichtweg lebendig und echt. Ihr gegenüber steht ein brillanter Jean Reno, der noch nie so gut gewesen ist, obwohl er eh immer gut ist. Gary Oldman bekommt am wenigsten Filmzeit zugestanden und kann sich am wenigsten entfalten, da sein Bösewicht im Grunde ein sehr einfach gestrickter ist. Er ist eben einfach richtig böse. Dennoch spielt Oldman diesen mit einer Diabolik, einer Dringlichkeit, dass es einfach Spaß macht, diesen Kerl zu hassen. Leider verliert "Leon" mit fortschreitender Dauer an Fahrt, der 133 Minuten lange Directors Cut offenbart besonders in der zweiten Filmhälfte einige Längen. Zwar ist die Konzentration gerade auf die ungleiche Beziehung zwischen Killer und kleinem Mädchen löblich, dennoch wird hier dann auch gerne mal auf der Stelle getreten. Auch das überlange, wenn auch emotional treffsichere Finale zeigt, dass hier weniger manchmal mehr gewesen wäre. Dafür gibt es ja aber auch noch die zwanzig Minuten kürzere Filmversion. Durch seine Langsamkeit ist "Leon" nicht für jeden etwas und besonders die letzte Stunde erfordert einiges an Geduld, da hier offensichtlich wird, dass Besson nicht genug zu erzählen hat. Die grandiosen Einzelmomente und die wunderbaren Schauspieler trösten darüber jedoch hinweg.

Note: 3+


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