Direkt zum Hauptbereich

Orphan - Das Waisenkind

Kinder in Horrorfilmen sind ja schon generell unheimlich, ganz gleich ob es Geister oder mordende Bestien sind. Was in "The Children" noch gründlich in die Hose ging, funktioniert bei dem tiefgründigen Horror-Thriller "Orphan" aus dem Jahr 2009 jedoch ganz ausgezeichnet: Ein kleines Terror-Kind, welches so abgrundtief böse ist, dass einen schon der bloße Anblick schaudert. Garniert mit einer gar nicht mal so blöden Geschichte und gut getimten Schocks kommt da ein überraschend starker Genre-Beitrag bei raus...

ORPHAN

Das Ehepaar Kate (Vera Farmiga) und John Coleman (Peter Saarsgard) haben mit dem jungen Daniel (Jimmy Bennett) und der taubstummen Maxine (Aryana Engineer) bereits zwei Kinder, hatten vor einigen Jahren jedoch eine Totgeburt zu beklagen. Da sie sich schon immer ein drittes Kind gewünscht haben, statten die beiden, nach einer ausführlichen Therapie Kates, einem Waisenhaus einen Besuch ab, um dort ein älteres Kind zu adoptieren. Dort machen sie die Bekanntschaft mit der neunjährigen Esther (Isabelle Fuhrman), welche für die Familie perfekt scheint. Zu Beginn scheint auch alles gut zu laufen, doch mit der Zeit häufen sich die seltsamen Ereignisse rund um das Kind und Kate vermutet, dass dieses ein falsches, tödliches Spiel spielt...

"Orphan" hebt sich vom Horror-Einerlei wegen verschiedenen Gründen ab. Zuerst fällt auf, dass die Geschichte für einen reinrassigen Schocker äußerst tief schürft, Charaktere erschafft, die wie aus dem Leben geschnitten scheinen und nicht in Klischee-Schubladen passen. Es ist äußerst lobenswert, dass sich während der ersten halben Stunde viel Zeit gelassen wird, um die Figuren zu etablieren, die Lebenssituation der Colemans ausführlich zu präsentieren und dabei auch den ein oder anderen unangenehmen Schicksalsschlag nicht aussparen. "Orphan" wirkt hier intelligenter, emotionaler und vielschichtiger als der Großteil, der sonst so aus der Horror-Kiste kommt, wirkt dabei angenehm ehrlich und verkauft seine schöne Story nicht für ein paar billige Schocks aus der Mottenkiste. Hinzu kommt eine über zwei Stunden dauernde, anhaltend starke und beunruhigende Atmosphäre, die gerade durch benötigte Ruhesequenzen entsteht. Nur langsam entfaltet sich das teuflische Chaos in der zuvor bereits ein wenig zerrütteten Familie und gerade weil man sich dabei so viel Zeit lässt und den Blick mehr auf die Charaktere lenkt als auf den eigentlichen Schrecken, wirken die später kommenden Eskalationen noch viel intensiver. Dabei spart "Orphan" dann auch nicht an Blut, doch der wahre Schrecken entsteht stets im Kopf des Zuschauers. Einen großen Anteil an dem atmosphärischen Gelingen dieses erstaunlich vielschichtigen Horror-Projekts haben auch die durch die Bank weg überzeugenden Darsteller: Vera Farmiga agiert beeindruckend als verstörte Mutter und Ehefrau, Peter Saarsgard spielt so nuanciert, dass man ihm liebend gerne zusieht und seine seltenen, emotionalen Ausbrüche sind von großer Qualität. Der Star ist jedoch die junge Isabelle Fuhrman, die mit einer bravourösen Performance als Schreckens-Balg die Zuschauer das Fürchten lehrt... eine ganz starke Darstellung. Das Skript ist intelligent und clever, die letztendlichen Wendungen, welche die Geschehnisse erklären, sind wunderbar und rund, einzig die doch etwas gedehnte Lauflänge von über zwei Stunden stößt ein wenig übel auf, was man besonders in einem zwar spannenden, aber dennoch etwas zu oft im Kreis laufenden Finale merkt, wo der Film in Sachen Intensität doch ein wenig nachlässt. Ansonsten aber ein wirklich guter Beitrag zum Horror-Genre, mit so viel zu selten gesehenen Tiefen, welche der Film gut verträgt, interessanten Charakteren, heftigen Schockeffekten und einer runden, fesselnden Geschichte. Bitte mehr von solchen Innovationen, das Genre kann es sehr gut gebrauchen!

Note: 2





Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Eiskalte Engel

Die 90er Jahre waren das absolute Revival für die Teenager-Komödie, wobei so manch ein auch etwas verruchterer Klassiker entstand. Dabei gereichte es zur damaligen Zeit bereits für "American Pie", in welchem es sich zwar weitestgehend nur um Sex dreht, der aber dennoch recht harmlos daherkam, zu einem kleinen Skandal. Die logische Fortführung dessen war schließlich "Eiskalte Engel", wo der Sex nicht nur der Hauptfokus ist, sondern im Grunde den einzigen sinnigen Lebensinhalt der Hauptfiguren darstellt. Das ist dann zwar ziemlich heiß und gerade für einen Film der letzten Dekade, der sich an Teenies richtet, erstaunlich freizügig... aber auch sehr vorhersehbar und irgendwie auch ziemlich doof. EISKALTE ENGEL Für den attraktiven Jungspund Sebastian Valmont (Ryan Philippe) ist die Verführung von naiven, jungen Damen der Mittelpunkt des Lebens. Um dem ganzen einen zusätzlichen Reiz zu verschaffen, sucht er stets neue Herausforderungen und geht schließlich mit se

Eddie the Eagle - Alles ist möglich

"Das wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht der Sieg, sondern die Teilnahme. Das wichtigste im Leben ist nicht der Triumph, sondern der Kampf." Dieses Zitat, welches den Film "Eddie the Eagle" abschließt, stammt von Baron Pierre de Coubertin, dem Begründer der Olympischen Spiele. Und es bringt den Kern der Geschichte, die in diesem Film erzählt wird, sehr gut auf den Punkt, denn um den Sieg geht es hier eigentlich nicht oder zumindest nicht sehr lange. Aber es wird gekämpft und das obwohl niemand dieses seltsame Gespann aus Trainer und Sportler wirklich ernstnehmen wollte - genau das ist das Herz dieses Biopics, welches viele Schwächen, aber zum Glück auch viel Herz hat... EDDIE THE EAGLE Für Michael Edwards (Taron Egerton) gibt es trotz einer bleibenden Knieverletzung nur einen Traum: Er will in einer Disziplin bei den Olympischen Spielen antreten. Schon in seiner Kindheit scheitert er beim Hammerwerfen und Luftanhalten und landet schließlich, sehr

Holzhammer pur: Filmkritik zu "Cherry - Das Ende aller Unschuld"

Mit achtzehn Jahren ist sich der Student Cherry (Tom Holland) sicher, in seiner Kommilitonin Emily (Ciara Bravo) die Liebe seines Lebens gefunden zu haben. Als diese ihn jedoch eiskalt verlässt, beschließt Cherry in seiner Trauer, sich für die Army zu verpflichten... noch nicht wissend, dass Emily ihre Meinung ändern und zu ihm zurückkehren wird. Doch der Schritt ist bereits getan und Cherry wird für zwei Jahre in den Irak versetzt, um dort für sein Land zu kämpfen. Die Erfahrungen, die er dort macht und die Dinge, die er dort sehen wird, lassen ihn völlig kaputt zurück... und machen schließlich auch die Rückkehr in seine Heimat und sein folgendes Leben zu einem irren Rausch verkommen, der nicht nur ihn selbst, sondern auch die Menschen um ihn herum zu zerstören droht. Die Brüder Anthony Joe und Russo, die mit dem genialen "Avengers"-Doppel "Infinity War" und "Endgame" zwei der erfolgreichsten und besten Filme unserer Zeit erschufen, holen Tom "Spid