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Der Medicus

Viele von euch werden nach einigen meiner Beiträge wissen, dass ich nicht der größte Fan von deutschen Produktionen bin. Demnach hatte ich doch schon starke Zweifel, als sich plötzlich "Der Medicus" für eine gigantische Verfilmung hervortat, zu Großteilen in Deutschland gedreht und gefördert. Trotz internationaler Besetzung und starken Trailern rechnete ich schon mit einem biederen, zahmen Filmchen ohne Ecken und Kanten. Und ich wurde mehr als positiv überrascht, denn der Film ist tatsächlich der Beweis, dass auch unsere Produktionen sich nicht vor dem großen Hollywood-Kino zu verstecken brauchen... wenn sie denn richtig angepackt werden!

DER MEDICUS

Nachdem seine Mutter an der unheilbaren "Seitenkrankheit" gestorben ist, kommt der junge Rob Cole (Tom Payne) bei einem umherziehenden Bader (Stellan Skarsgard) unter, welcher ihn als seinen Lehrling einstellt. Doch Cole möchte mehr erfahren und unternimmt daher schon bald eine abenteuerliche Reise bis ans andere Ende der Welt, nach Isfahan. Dort kommt er als Gelehrter bei dem großen Heiler Ibn Sina (Ben Kingsley) unter, um dort zu lernen, wie man auch schwere Krankheiten behandeln kann. Dabei lernt Cole auch das junge, jedoch einem anderen versprochene Mädchen Rebecca (Emma Rigby) kennen und verliebt sich in sie... und muss dann alle seine Fähigkeiten sowie seine "spezielle Gabe" einsetzen, als die Pest Isfahan heimsucht.

Zweieinhalb Stunden nimmt sich dieser gigantische Film Zeit, um all den Neben- und Haupthandlungen gerecht zu werden und nimmt sich dabei auch noch ziemlich viele Freiheiten gegenüber der mächtigen Buchvorlage. Diese habe ich nie gelesen, kann also nur den Film an sich bewerten und mich hier nicht über mögliche, aber anscheinend starke Abweichungen und Einschneidungen auslassen. Und was ich gesehen habe, hat mich von der ersten Minute an schier gepackt. Erst einmal sieht "Der Medicus" überraschend gut aus, die Sets sind detailreich und monumental, die Bilder besonders in den Wüstenszenen beeindruckend und auch der fantastische Score trägt über lange, aber nie langweilige 155 Minuten gut. Die Geschichte ist sicher teils vorhersehbar, wartet dafür aber mit packenden Emotionen, starken Charakteren und vielen schönen Ideen auf, die berühren, erfreuen und mitfiebern lassen. Einzig die an sich sehr bewegende Liebesgeschichte zwischen Rebecca und Cole hätte ein wenig mehr Zeit gebraucht, denn die Ansätze sind sehr schön, werden aber nicht gut genug ausgespielt. Da wäre mehr zu holen gewesen. Ansonsten aber wenig zu mäkeln an einer Geschichte, die keine Längen zulässt und mit immer neuen Überraschungen sehr gut bei der Stange hält. Dafür verantwortlich sind auch die durchgehend interessanten, nie eindimensionalen Charaktere, welche durch die Bank weg von fähigen Schauspielern gemimt werden. Ben Kingsley ist grandios wie immer, Elyas M'Barek ist auch in großen Produktionen wie dieser wunderbar aufgehoben und überrascht mit einer späteren Ernsthaftigkeit, welche ihn für mehr Rollen dieser Art empfiehlt. Stellan Skarsgard ist erfreulich grob, Emma Rigby eine Augenweide, die eine starke Präsenz aufweist und Olivier Martinez gefällt als teils tyrannischer, teils auch herzensguter Schah. Ein Extralob verdient sich zudem noch der zuvor weitestgehend unbekannte Hauptdarsteller Tom Payne, der seinen Cole mit viel Schwung, viel Emotionalität und viel Wissensdurst gibt, sodass ihm die Zuschauer zu gerne durch die Handlung folgen. Kleinere Schwächen wie die bereits erwähnte vernachlässigte Liebesgeschichte oder auch das etwas zu schnell abgespulte Ende, durch welches wir uns nicht von allen Figuren gebührend verabschieden können, schmälern das Vergnügen, sind teils sogar ärgerlich, doch der Film als Ganzes bleibt beeindruckend. "Der Medicus" ist packend, hervorragend gespielt und ist optisch eine Augenweide. Eine Überraschung und eine klare Empfehlung! Bitte mehr von solchen Stoffen... aber nur wenn sie weiterhin so gut gemacht sind!

Note: 2+

 

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